Kunst geschieht!
Der Sammelband „Grenzenlose Kunst?“

10. April 2017 • Text von

Eine globale Kunstwelt, in der Künstler und Sammler von Messen zu Biennalen hetzen. Die aktuelle Kunst selbst, die Gattungen öffnet und nicht mehr in aufeinander folgende Perioden eingezwängt werden will. Der Band „Grenzenlose Kunst?“ versammelt diverse Aufsätze zu gegenwärtigen Diskursen.

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Grenzenlose Kunst? – Verlag Kettler.

Unter dem Titel „Art Unlimited? – Grenzenlose Kunst?“ veranstaltete die Berliner Akademie der Künste ab 2010 eine Reihe von Vorträgen, die das Thema Entgrenzung aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch untersuchen sollten. Dass das nun veröffentlichte Buch zur Veranstaltungsreihe nur den deutschsprachigen Titel trägt, erklären die Herausgeber Robert Kudielka und Angela Lammert im Vorwort: Der englische Titel, eigentlich eine ironische Anspielung auf ein angelsächsisches Geschäftsmodell, wurde von unterschiedlichen Institutionen übernommen und gebraucht und so in der Bedeutung verändert. So gibt es auf der Kunstmesse Art Basel die Sektion „Unlimited“. Natürlich ohne Fragezeichen.

Auf viele Fragen zu aktuellen Diskursen geben die in„Grenzenlose Kunst?“ kompilierten Aufsätze Denkanstöße und Anregungen. Namhafte Autoren wie Kader Attia, Thomas Burkhalter, Peter Galison, Jean-Luc Nancy und andere thematisieren aus unterschiedlichen Perspektiven die Überschreitung von Grenzen. Untersucht werden die digitale und globale Entwicklung und ihre Auswirkung auf die Kunstwelt sowie die zunehmende Tendenz, Kunst nicht mehr in Gattungen wie Malerei oder Bildhauerei zu denken. Der ökonomisch-gesellschaftliche Prozess der Globalisierung führt zu einer kritischen Hinterfragung eines eurozentristischeen Kunstbegriffes, die Gleichzeitigkeiten einer globalen Kunst stellt die kommende Kunstgeschichte vor ein Problem.

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Grenzenlose Kunst? – Verlag Kettler.

Die 17 Autoren widmen sich in ihren Beiträgen unterschiedlichen Teilaspekten und Blickrichtungen, sind jedoch alle an der gemeinsamen Erkundung von Bruchlinien interessiert. Thierry de Duve identifiziert Duchamp als Bote der grenzenlosen Kunst, der mit seinem Konzept des Readymades nicht nur die Kunst der 1960er Jahre beeinflusste, sondern prinzipiell die Erweiterung des Kunstbegriffs einläutete. Eine Toilettenschüssel als Entgrenzer zwischen Kunst und Realität. Über die Veränderung der Kunstpraxis durch digitale Technologien und die Entstehung einer globalen zeitgenössischen Kunst schreiben Hans Belting und Andrea Buddensieh in ihrem Beitrag. Postkoloniale Ansätze, die sich kritisch mit der Einbindung „fremder“ Kunst in den Diskurs beschäftigen tauchen auch an anderen Stellen im Buch vermehrt auf. Grenzen, auch geographische und kulturelle können nicht immer leicht überwunden werden, der Prozess kann sich ziehen. Die Folgen der weltweiten Verbreitung eines zeitgenössischen Kunstdiskurses werden erst allmählich sichtbar.

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Grenzenlose Kunst? – Verlag Kettler.

Andere Aufsätze widmen sich der Auflösung von Grenzen im Tanz, dem Konzept einer „Weltmusik 2.0“ und dem unterschiedlichen Kunstbegriff in Musik und bildender Kunst. Sie alle eint jedoch die Untersuchung von Öffnungen zuvor geschlossener Systeme. Das Wegbrechen von Regeln, Konventionen und Genres. Den Versuch zu erkennen, was die unterschiedlichen Ausprägungen der globalen Kunstproduktion jedoch alle eint, unternimmt der französische Philosoph Jean-Luc Nancy in seinem Beitrag. Abwägend und vorsichtig suchend nähert er sich der Frage „Was heißt noch Kunst?“ und kommt zum Schluss: „Wir befinden uns auf dem Gebiet der Sinne. Wenn es keine Sinnlichkeit mehr gäbe, dann würde es vielleicht keine Kunst mehr geben. Wenn es keine Sinnlichkeit mehr gäbe, würden wir nicht hier sein.“

WO: „Grenzenlose Kunst?“ von Robert Kudielka (Herausgeber) und Angela Lammert (Herausgeber) im Auftrag der Akademie der Künste Berlin, Verlag Kettler.