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After the Fact im Lenbachhaus

13. Juni 2017 • Text von

Darf, kann, muss Kunst politisch sein? Das Lenbachhaus widmet sich in seiner neuen Ausstellung einem aktuellen und drängenden Thema. Unter dem Titel „ After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert“ werden Arbeiten gezeigt, die sich mit den Mechanismen und Prozessen der gesteuerten Meinungsbildung auseinandersetzten und diese analysieren.

Sandow Birk: Standing Down (Ferguson), 2016, Courtesy der Künstler und P.P.O.W. Gallery, New York.

Der Begriff „postfaktisch“ wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2016 gekürt und in einer Zeit, in der Diskussionen um Fake News und Lügenpresse die Berichterstattung dominieren, scheint das nicht verwunderlich. Der Kampf um Meinungshoheit und die Gefahr, dass das Konzept einer allgemein akzeptierten Wahrheit durch subjektive, alternative Fakten ersetzt zu werden droht, haben das potenzial, Gesellschaften zu fragmentieren. Propaganda ist kein Begriff aus der Mottenkiste vergangener Diktaturen, sondern unter anderen Vorzeichen hochaktuell. Der technische Fortschritt in Form des Internets und der sozialen Medien schafft zudem einen scheinbar unkontrollierbaren Resonanzraum.

Bradley Davies: Sun / TIMES, 2014, Dimensions variable Courtesy des Künstlers.

Die Ausstellung „ After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert“ geht nun der Frage nach, wie die Kunst den Mechanismen der Propaganda Paroli bieten kann, um deren Wirkungsweisen zu entlarven. Die gezeigten Positionen verfolgen dabei höchst unterschiedliche Strategien. Bekannte Formensprachen werden aufgegriffen und verfremdet, Symbole und Gesten werden angeeignet, Inhalte entkernt. Dass auch Humor eine Strategie sein kann, Zynismus zu unterwandern beweist Bradley Davies in seiner Arbeit „Sun/TIMES“. In einer Fotoserie macht er einen Pappaufsteller des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch zum Zeiger einer Sonnenuhr, der Titel der Arbeit bezieht sich sowohl auf diesen chronologischen Mechanismus als auch auf die tendenziösen Publikationen Sun und TIMES. Wie sich ein latenter Militarismus den Weg in die bürgerliche Gesellschaft bahnen kann, zeigt Wolfram Kastner in einem ganz in Tarnfleck gedeckten deutschen Interieur, „Schöner Wohnen“ durch Waffenexporte, die leise im Hintergrund ablaufen.

Samuel Fosso: The Emperor of Africa (Der Kaiser von Afrika), 2013, Courtesy der Künstler und Jean Marc Patras, Paris, Foto: Lenbachhaus.

Durch eine geschickte, leicht beklemmend wirkende, Ausstellungsarchitektur wird der lange Raum des Kunstbaus inszeniert: Stoffbahnen, die von der Decke hängen, schaffen sechs Sektionen, die inhaltlich aufeinander aufbauen und ein Referenzlabyrinth erzeugen. Und in den Übergängen zwischen diesen Sektionen, die Titel tragen wie „Das Spiel spielen“ oder „Die im Dunkeln sieht man nicht“, finden sich dokumentarische Fragmente: Ausschnitte aus Zeitungen, Fundstücke aus dem Internet, Videos und Werbung. Diese Elemente aus der Realität ergänzen die gezeigten Arbeiten und schaffen so komplexe Verbindungen. Was hat das Meme Pepe der Frosch mit der neuen Rechten zu tun und was zum Teufel ist ein „Sandwich Artist“?

Aura Rosenberg: Siegessäule, 2001, Courtesy der Künstlerin und Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München; Aura Rosenberg: The Missing Souvenir, 2002, Courtesy der Künstlerin und KW Institute for Contemporary Art, Berlin; Franz Wanner, Battle Management Drawings #1–#5, 2017, Courtesy des Künstlers; Franz Wanner: From Camp to Campus, 2017, Video, Courtesy des Künstlers, Foto: Lenbachhaus.

„ After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert“ spannt weite Bögen und schneidet viele Themen an. Vom Feminismus über die Funktionsweisen des Kunstmarktes, zum gesellschaftlichen Umgang mit Arbeit. Die Ausstellung kombiniert unterschiedlichste künstlerische Ansätze, Medien und Genres und bildet so ein komplexes System aus Bezügen. Dass sich der Besucher in diesem inhaltlichen Rahmen nicht verliert, liegt auch an der hohen Qualität der gezeigten Arbeiten. Denn Propaganda ist nicht nur ein Mechanismus der Manipulation, sondern auch ein Akt der Verführung.

WANN: Noch zu sehen bis 17. September.
WO: Kunstbau der städtischen Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München.

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