Innovationsdruck
Kerstin Brätsch im Museum Brandhorst

29. Mai 2017 • Text von

Großformatige Malerei auf Papier und Polyester. Handgefertigte Glasarbeiten, Videos und Installationen. Auf zwei Ebenen zelebriert das Museum Brandhorst die künstlerische Praxis der Malerin Kerstin Brätsch.

Kerstin Brätsch for DAS INSTITUT: Machine of Light, 2008, „New Images / Unisex“-Serie, Nini Bonavoglia, Collection © Kerstin Brätsch.

Kerstin Brätsch for DAS INSTITUT: Machine of Light, 2008, „New Images / Unisex“-Serie, Nini Bonavoglia, Collection
© Kerstin Brätsch.

Ein Maler steht alleine vor einer leeren Leinwand und setzt seine individuellen Pinselstriche. Sein Duktus wird zum Ausdruck eines intrinsischen Prozesses, aus dem langsam ein Bild entsteht. So das romantisch verklärte Ideal. Dass ein Maler, oder in diesem Fall eine Malerin, heute weder an ein Medium gebunden sein muss, noch als leidendes Genie im Atelier zu kauern hat, beweist konsequent die Ausstellung „Innovation“ von Kerstin Brätsch im Museum Brandhorst.

Auf zwei Ebenen wird die erste Überblicksausstellung der in Hamburg geborenen und in New York lebenden Künstlerin gezeigt. Zunächst beeindruckt die schiere Menge und Bandbreite der gezeigten Arbeiten, die dicht gehängt das Parterre und das Untergeschoss des Museums füllen. Die Ausstellung will einen umfassenden Einblick in die malerische Praxis der Mid-Career Künstlerin von 2006 bis heute geben und schafft dies eindrucksvoll: mit 60 großformatigen Malereien auf Papier, Polyesterfolie und in Marmoriertechnik, handgefertigten Glasarbeiten, Videos, Diaprojektionen, einer Installation sowie mehreren raumbezogenen Eingriffen. Brätsch verhandelt in ihrer Arbeiten die Parameter von Malerei und deren Grenzen, sie setzt dabei ihre Praxis bewusst in Bezug zu kunsthistorischen Traditionen. In ihrer Arbeit verdichtet sie handwerkliche Techniken und malerische Prozesse.

Kerstin Brätsch: Holo Mai Pele, Is It You or Perhaps You? (Mund der Wahrheit), 2012-2016, „All Ready Maid Betwixt and Between“-Serie, Courtesy die Künstlerin und Gió Marconi, Mailand © Kerstin Brätsch.

Kerstin Brätsch: Holo Mai Pele, Is It You or Perhaps You? (Mund der Wahrheit), 2012-2016, „All Ready Maid Betwixt and Between“-Serie, Courtesy die Künstlerin und Gió Marconi, Mailand
© Kerstin Brätsch.

Im Sinne eines „Expanded Paintings“ öffnet Brätsch in ihrer Praxis den malerischen Ansatz, wählt unterschiedliche Materialien, Abläufe und Formen, integriert performative Elemente in den Schaffensprozess. Indem sie auch klassische Themen und Genres der Malereigeschichte aufgreift, diese jedoch reflektiert und um Ebenen erweitert, trägt sie zum aktuellen Diskurs der Relevanz von Malerei in einer zunehmend digitalen Welt bei. Konsequent unterläuft Kerstin Brätsch die Grenzen von Malerei und Skulptur, Installation, Konzeptkunst und die Idee der Autorenschaft.

Kerstin Brätsch: Unstable Talismanic Rendering_Poli'ahu's Cure (with gratitude to master marbler Dirk Lange), 2016, Sammlung der Künstlerin, Courtesy die Künstlerin und Gavin Brown's enterprise, New York / Rom, © Kerstin Brätsch.

Kerstin Brätsch: Unstable Talismanic Rendering_Poli’ahu’s Cure (with gratitude to master marbler Dirk Lange), 2016, Sammlung der Künstlerin, Courtesy die Künstlerin und Gavin Brown’s enterprise, New York / Rom, © Kerstin Brätsch.

In unterschiedlichen Konstellationen arbeitet die Malerin mit befreundeten Künstlern zusammen, geht Kollaborationen ein und entwickelt gemeinsam Ausstellungen. Ihre Position als Autorin und Malerin wird so hinterfragt, der offene Umgang und Austausch stehen im Vordergrund. Die unterschiedlichen Ansätze befruchten sich gegenseitig in einem kontinuierlichen Prozess der Weiterverarbeitung. So sind neben Arbeiten von Kerstin Brätsch auch Beiträge von und mit DAS INSTITUT, Full-Fall (Davide Stucchi und Mattia Ruffolo), Gaylen Gerber, Jane Jo, Allison Katz, KAYA, Kathrin Sonntag, UNITED BROTHERS (Ei und Tomoo Arakawa), sowie des Filmemachers Alexander Kluge zu sehen.

DAS INSTITUT (Kerstin Brätsch & Adele Röder): Apes and Shapes, 2008-2013 „I'll See You Again in 25 Years“- Serie, 35mm-Diaprojektion 80 Dias, geloopt, Courtesy und © die Künstlerinnen.

DAS INSTITUT (Kerstin Brätsch & Adele Röder): Apes and Shapes, 2008-2013, „I’ll See You Again in 25 Years“- Serie, 35mm-Diaprojektion, 80 Dias, geloopt, Courtesy und © die Künstlerinnen.

Trotz ihres offenen Ansatzes bleibt Kärstin Brätsch doch eine Malerin, die sich mit der Körperlichkeit der verwendeten Mittel auseinandersetzt. Ihren reflektierten Umgang mit dem Medium illustriert wohl ein zentrales Motiv am besten. Es ist ein abstrahierter Pinselstrich, der vergrößert und isoliert in verschiedenen Werkgruppen aufscheint, ein digitales Sample, das kombiniert und addiert wird.

WANN: Zu sehen bis 17. September.
WO: Museum Brandhorst, Theresienstraße 35a, 80333 München.

Weitere Artikel aus München