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Alina Grasmanns gemalte Topographien

1. August 2017 • Text von

Bukolische Welten, buckelnde Katzen und ein Stück Panama in Kassel. Alina Grasmann erschafft mit feinen Pinselstrichen Orte, an denen man am liebsten für immer bleiben möchte. Nicht zuletzt, weil es dort keine anderen Menschen gibt.

Alina Grasmann: West of Eden 09, (for Jonas Wood and Shio Kusaka),© Alina Grasmann 2017

Das Netz ist voll von Angeboten, die mit den schönsten Plätzen der Welt locken. Gesucht werden „Secret Escapes“ auf einem „Lonely Planet“. Erklärtes Ziel ist die besagte #wanderlust zu stillen und irgendwo dort anzukommen, wo es einfach nur schön ist. Ganz analog hingegen erbaut Alina Grasmann diese Orte auf ihrer Leinwand und konstruiert Bilder, die nicht selten das Beste aller Welten zusammenführen. Sie erzählt Geschichten von der Schönheit der Provinz, bannt Literatur auf Leinwand und erzeugt stets diesen gewissen Glow.

Wo verbringst du deinen Sommer? 
Meinen Sommer werde ich wohl zum Großteil in meinem Atelier hier in München verbringen. Im September geht es aber dann nach New York, wo ich an einem Programm als Artist in Residence teilnehmen werde.

Gerade hast du in deiner ersten Einzelausstellung die Serie „West of Eden“ gezeigt. Die Arbeiten sind, wie die jeweiligen Titel zeigen, bekannten Künstlern gewidmet und sind dadurch ein permanentes Spiel mit Zitaten. Was ist das Konzept dahinter?
„West of Eden“ hat sich aus der Serie „Panama Paintings“ entwickelt, in der ich Räume aus real existierenden Orten neu zusammengebaut habe. Zum Teil sind in diesen Räumen Kunstwerke zu sehen, die für mich einen Sehnsuchtsbezug aufweisen. David Hockneys „A Bigger Splash“ ist ein solches Sehnsuchtsmotiv. Auch die Neonleuchtschrift von Tracey Emin schafft für mich durch die Materialisierung eines Gefühls als Licht im Raum sozusagen einen „Sehnuchtsort mit Überschrift“ . Bei „West of Eden“ habe ich dann nicht mehr ganze Kunstwerke ein meine Bilder eingebaut sondern nur noch einzelne Elemente daraus zitiert, die ich in meine Malerei übersetzt habe. Van Goghs Sonnenblumen stehen zum Beispiel in einem meiner Museumsräume. Bei der Anzahl und der Konstellation habe ich mich an das Original gehalten, gleichzeitig kommt im meinem Bild das Licht von der entgegengesetzten Seite, meine Technik ist auch eine andere, trotzdem ist es eindeutig ein Zitat. Das Spannende in dieser Auseinandersetzung mit den Künstlern und ihrer Kunst ist, dass man unglaublich viel über sie herausfindet. 

Alina Grasmann: West of Eden 03, (for Melchior de Hondecoeter and Dan Flavin),© Alina Grasmann 2017

Was zum Beispiel?
Man begreift, wie Menschen malen und ich habe bemerkt, dass viele Künstler – auch Alte Meister – Motive, die sie schon einmal gemalt haben in einer Art „copy und paste“-Verfahren erneut in andere Bilder übertragen. Bei de Hondecoeter ist es der Vogel, bei Jonas Wood die Katze. Im Prinzip mache ich mit diesen Elementen dasselbe wie sie, ich nehme sie aus ihren Bildern und setze sie in neue Räume und Kontexte.

Was sind das für Räume und Orte, auf die du dich in vielen deiner Bilder konzentrierst? Wo findest du sie?
Überall, viele davon auf Reisen. Oft fahre ich bewusst zu Orten, weil ich weiß, dass ich dort etwas finde oder Inspirationen sammeln kann. Zugleich sind es oft Orte aus Filmen und Büchern. Orte, von denen ich mir schon eine bestimmte Vorstellung gemacht habe, die aber dann häufig ganz anders sind. Es sind aber auch Orte, die schon in der Kunstgeschichte oder der Geschichte der Malerei eine Tradition haben. Arkadien ist so ein Ort.

Alina Grasmann: Panama in Kassel 01 © Alina Grasmann 2016

Was ist Arkadien für dich?
Arkadien ist ein Ort, der seinen Ursprung in Griechenland, auf dem Peloponnes, hat. Eine Schäferidylle, die mit Natur, Unschuld und einem schönen Leben verbunden ist. Die Römer zum Beispiel wollten diesen idealen Ort aber lieber in Italien haben und haben ihn verlegt. Arkadien ist somit der Begriff für einen Ort, den es zwar eigentlich konkret gibt, der aber in der Kunst und Literatur immer dahin verlegt wurde, wo man ihn gerade gebraucht hat. Man kann sich daher mit Arkadien seinen eigenen Sehnsuchtsort schaffen.

Wo liegt Arkadien heute? Oder besser, gibt es das noch?
Arkadien ist flexibel. Ein Beispiel dafür sind vielleicht die „Papertowns“. Früher haben Landkartenfirmen in den USA, damit ihre Konkurrenten ihre Arbeit nicht einfach kopieren, Orte in den Karten eingezeichnet, die es gar nicht gab. Ein solcher Ort ist Agloe, in der Nähe von New York. Das ist im Prinzip eine einfache Straßenkreuzung. Viele Leute fahren dort hin und suchen einen Ort, den es so ja gar nicht gibt. Dennoch entstand ein Kult um diesen Ort, eine Art Szene für Heranwachsende, die auch durch einen Film aufkam. Alle Menschen, die dort hinfahren, finden ja eigentlich nichts vor, weil sie aber unbedingt etwas finden wollen, finden sie doch irgendwas. Sie suchen sich den Ort.

Alina Grasmann: Panama in Kassel 02 © Alina Grasmann 2016

Tiere und Pflanzen tauchen immer wieder in deinen Bildern auf, Menschen gibt es aber keine. Warum?
Ich habe früher oft verhüllte Körper oder Augen gemalt, die durch etwas hindurchschauen. Aber auch das war mit dem Gefühl von einem Ort verbunden, an dem man geborgen ist oder in dem man einen Rückzugsort findet. Ich habe dann gemerkt, dass mich der Ort viel mehr interessiert und die herrschende Situation oder die Atmosphäre dort. Und so bin ich dahin gekommen, dass ich die Menschen nicht brauche in meinen Bildern oder dass Menschen vielleicht auch für das was ich möchte zu viel Identifikations-Angriffsfläche bieten. Lieber will ich den Menschen nur als Betrachter, der schaut, was er mit meinem Raum machen will.

Die meisten Orte, Szenen und Momente, die du später malst, fotografierst du zunächst. Was kann die Malerei für dich, was die Fotografie nicht leisten kann?
Ich kann mich mit Malerei einfach besser ausdrücken. Mir ist der Entstehungsprozess sehr wichtig und die lange Auseinandersetzung mit dem Bild, während ich es male. Malerei ist für mich immer Aktion und Reaktion, ich mag es, dass ich das Bild komplett selbst erstelle, dass ich das Bild auf der Leinwand aufbauen kann.

Foto: Katarina Sopčić

Wie sieht die Zukunft der Malerei aus?
Ich habe keine Ahnung, wie die Zukunft der Malerei aussieht. Aber ich denke, dass es dadurch, dass jeder seine eigene Sache macht, immer weitergehen wird und Malerei sich immer weiterentwickeln wird. Auch in meiner Klasse an der Akademie kamen wir zu dem Punkt, an dem jeder seine eigene Position gefunden hat. Wir machen alle etwas ganz anderes. Und dennoch glaube ich, dass alles, was jeder einzelne malt, schon einmal gemalt wurde. Aber nur, weil das schon einmal jemand gemalt hat, heißt das nicht, dass man das nicht mehr machen kann. Sobald es eine neue Person mit einer neuen Persönlichkeit, unter Bezug auf seine eigenen Gedanken malt, finde ich, wird es zu etwas anderem. Meine Professorin Karin Kneffel sagt immer, wenn man zeitgenössisch sein will, sollte man auf keinen Fall versuchen zeitgenössisches zu malen, da es in dem Moment, in dem man versucht das zu tun, schon überholt ist.

WO: Einen Überblick über Alina Grasmanns Bilder findet man auf ihrer Homepage alinagrasmann.com oder auf ihrem Instagram-Account.

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