Hanseatische Stadtrundgänge #3
Kaimauerblümchen

14. August 2016 • Text von

 

Im dritten Teil des Hanseatischen Reiseblogs geht es in den Westen der Stadt: Flanieren im Grindel, Street Art in der Schanze, Prinzessinnenfeelings im Jenisch Park und ganz viel Hafenromantik.

Gunter Demnig: Stolpersteine

Gunter Demnig: Stolpersteine

Hier kommt ihr mit einem Klick zu Teil eins, in dem sich alles um St. Georg und die Elbvororte dreht. Teil zwei spielt sich südlich von der Elbe ab. Aller guten Dinge sind aber drei!

Tag 5: Freitag

Bemalte Wände westlich der Alster: Reisebloggen macht Spaß, ist aber auch ganz schön anstrengend. Deshalb lasse ich es heute entspannt angehen und starte mit einem ausgiebigen Frühstück im Café Leonar. Gemütlicher geht’s nicht. Im Anschluss spaziere ich durch den Grindel; in dem alten jüdischen Viertel stolpere ich an fast jeder Ecke über Geschichte. Eine Grund dafür sind Gunter Demnigs „Stolpersteine“, mit denen der Opfer des Nationalsozialismus an ihren ehemaligen Wohn- oder Wirkstätten gedacht wird. Im Grindel liegen besonders viele von ihnen, zum Beispiel schräg gegenüber vom Leonar vor der ehemaligen Talmud Tora Realschule, in die heute wieder jüdische Schüler gehen. Direkt daneben befindet sich der Ort, an dem einst die Synagoge stand. An sie erinnert das „Synagogenmonumet“ aus 1988 von Margit Kahl, das die alte Gewölbeform als Bodenmosaik nachzeichnet.

Ausstellungsansicht Darco FBI niveau supérieur in der OZM Gallery

Ausstellungsansicht Darco FBI niveau supérieur in der OZM Gallery

Ich fahre weiter ins Schanzenviertel und gehe dort auf Street-Art-Safari. Das ist so ähnlich wie Pokémon Go, nur in hübscher. Irgendwann pirsche ich mich auch an die OZM Gallery heran und habe Glück: Zufällig ist Inhaber Alex Heimkind vor Ort und erzählt mir ein bisschen über die aktuelle und gleichzeitig letzte Ausstellung in der Bartelsstraße. Das Gebäude wird bald abgerissen und zum Abschied hat Darco FBI den Hauptraum in ein Gesamtkunstwerk verwandelt. „Den Graffitikünstlern der ersten Generation drohten hohe Geldstrafen und Prozesse, trotzdem haben sie weitergemacht und sind richtig gut geworden.“ Darco FBI gehört zu dieser ersten Generation europäischer Sprayer, die von Paris aus auf den Rest des Kontinents gewirkt haben. Die Zeit der OZM Gallery an ihrem Stammplatz endet mit der Besinnung auf die Anfänge dieser Kunstform. Alex Heimkind bläst aber keineswegs Trübsal, sondern freut sich auf die Veränderung: „Jetzt kann etwas Neues anfangen.“

Wein mit Aussicht

Wein mit Aussicht

Zum Ende des Tages gilt es, mein Eis zu jagen. Bei der Futtersuche nähere ich mich Planten un Blomen, dort kommt der Geistesblitz: ob es im Radisson Blu Hochhaus eigentlich eine Aussichtsterrasse mit Gastronomie gibt? Kurzentschlossen marschiere ich ins Foyer und frage die Rezeptionistin. Sie guckt etwas verdattert, als ich nach Speiseeis frage und bedauert, dass es zwar eine Weinbar gebe, aber kein Eis. Damit kann ich unter den Umständen allerdings herzlich gut leben. Der Wein ist fantastisch und der Ausblick über Hamburg kann gar nicht in Worte gefasst werden. Ich bin verzaubert!

Die Ausrüstung: Mein Schweizer Taschenmesser das jede Flasche öffnet und natürlich mein bester Freund der Regenschirm.
Eis: Heute kein Eis, sondern Wein.

Candida Höfer im Jenisch haus

Candida Höfer im Jenisch Haus

Tag 6: Samstag

Von schick im Jenisch Park bis schnoddrig in Altona: Hamburg, deine Kontraste! Mir ist für meinen letzten Urlaubstag noch mal nach schick und edel zumute, deswegen mache ich mich auf zum Jenisch Park. Ich frühstücke Kuchen im Jenisch Haus und fühle mich dabei wie eine Prinzessin. Anschließend wandle ich durch die Säle der Villa und will am liebsten gleich einziehen. Ob es Candida Höfer auch so ging, als sie 2000 die großformatige Fotografie des Musiksaals aufgenommen hat?

Ich setze mich in Teufelsbrück in die Fähre, lasse mich nach Övelgönne schippern und schlecke dabei ein Wassereis. Eigentlich wollte ich dem dort beheimateten Bojenmann von Stephan Balkenhol schöne Grüße von seinem Freund auf der Alster ausrichten, aber der ist einfach futsch. In der Strandperle erfahre ich, dass er dieses Jahr nach dem Winter nicht wieder ausgesetzt wurde. Ich hoffe, es geht ihm gut, wo auch immer er jetzt in die Ferne guckt.

Wandbild der Frauenfreiluftgallerie

Wandbild der Frauenfreiluftgallerie

Unverrichteter Dinge wandere ich an der Elbe entlang gen Fischmarkt. Dabei komme ich immer wieder an den Wandbildern der Frauenfreiluftgallerie vorbei, die von Frauenarbeit im Hafen erzählen. Zufällig laufe ich einer der Projektleiterinnen, Elisabeth von Dücker, in die Arme, die gerade eine Gruppe führt. Gegenüber der Fischauktionshalle gönne ich mir noch ein großes veganes Eis – schließlich habe ich noch eines gut. Mit der riesigen Eiswaffel in der Hand freue ich mich wie ein kleines Kind und stapfe zum Park Fiction, der 1997 als künstlerisches und sozialpolitisches Projekt von Cathy Skene und Christoph Schäfer geplant wurde.

Quintessenz: Alltonal, 2016

Quintessenz: Alltonal, 2016

Von dort aus geht’s nach Altona. Während der Altonale ist mir dieses Jahr eine Arbeit durch die Lappen gegangen, die ich mir noch unbedingt anschauen will. Quintessenz hat zwischen den Häusern in der Hospitalstraße 3 und 5 eine Installation aus farbigen Netzen aufgebaut. Zum Ausklang meiner Hamburgreise erklimme ich die Treppen zum Ikea-Parkdeck. Von hier aus habe ich noch einmal einen herrlichen Blick über meine Lieblingsstadt und sage „Tschüss, Hamburg, bis morgen!“

Die Ausrüstung: Über die Woche hat sich herauskristallisiert, dass die Stadtteilreiseführer vom Junius-Verlag einfach großartig sind. Danke dafür!
Eis: das gute alte Flutschfinger und außerdem noch köstliches veganes Eis von Liberty

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