Hamburger Kunstgriff
07.07. - 13.07.16

7. Juli 2016 • Text von

Ein Stück Schokoladenkuchen, eine Eiswaffel, eine saure Gurke…Am Donnerstag macht sich die kleine Raupe Nimmersatt auf den Weg, um ihren unendlichen Kunsthunger zu stillen. Damit ihr euch diese Woche richtig satt sehen könnt, haben wir für euch die größten Krumen aus dem Kunstkuchen herausgepickt.

F.C. Gundlach: Gitta Schilling, Kleid von Jean Patou, Paris 1962.

F.C. Gundlach: Gitta Schilling, Kleid von Jean Patou, Paris 1962.

Bei DEAR photography bekommt ihr eine besondere Delikatesse der Fotografie serviert: Anlässlich des 90. Geburtstags von F.C. Gundlach gilt es sich an einer Werkschau seiner Photographien zu laben. „All eyes on Paris“ lautet der Titel der Show im Zeichen jener Stadt, die Gundlach zeitlebens Sehnsuchtsziel, Ort der Inspiration und Ausgangspunkt zahlreicher seiner legendären Modestrecken war. „Paris“, so Gundlach, der außerdem und unter anderem zwischen 2003 und 2005 Gründungsdirektor des Hauses der Photographie in den Deichtorhallen gewesen ist „hat sich von allein fotografiert.“ Die Stadt der Liebe und des Lichts avancierte nach dem Zweiten Weltkrieg schnell erneut zum Zentrum für Kunst und Literatur, Film und Mode und bereitete so dem Photographen eine Bühne, auf deren Brettern er die Wirklichkeit zwischen Wahrnehmung und Illusion kunstvoll inszeniert. Die gezeigten, teils melancholischen Stimmungsbilder erinnern durch ihre starken Hell-Dunkel Kontraste an die Filmästhetik des Poetischen Realismus und des Film Noir der 40er Jahre. Ganz vorzüglich.

WANN: Aufgetischt wird heute Abend, von 18. 30 bis 22 Uhr. Der Künstler wird anwesend sein. Die Ausstellung gibt es bis zum 31. August zu sehen. Im Juli immer samstags und sonntags zwischen 12 und 16 Uhr, ansonsten auf Anfrage und nach Vereinbarung.
WO: DEAR photography art room, Kleine Reichenstraße 1.

Yu-Ling Hsueh: Eine Pilgerfahrt von der Flussmündung zur Flussquelle, 6-Kanal-Videoinstallation, 2016 © Imke Sommer

Yu-Ling Hsueh: Eine Pilgerfahrt von der Flussmündung zur Flussquelle, 6-Kanal-Videoinstallation, 2016 © Imke Sommer

Auf der Suche nach Leckerbissen führt diese Woche kein Weg an der HfBK-Absolventenausstellung vorbei. Langt kräftig zu, die Tafel ist mit zahlreichen Abschlusspräsentationen der 135 Absolventen üppig gedeckt. Außerdem sind die künstlerischen Präsentationen der 25 Teilnehmer aus dem im April neu gestarteten Programm „Artistic and Cultural Orientation“ für an einem Kunststudium interessierte Migranten zu sehen.

Unter all den wunderbaren Köstlichkeiten, die man sich so gönnen könnte, finden sich unter anderem die Installation der taiwanesischen Künstlerin Yu-Ling Hsueh, die den Bogen zwischen ihrer Heimat und der Aula der HfBK schlägt. Falls ihr wissen wollt, wie Denken eigentlich aussieht, sei euch Jessica Leinens Denkraum ans Herz gelegt. Schnabulieren solltet ihr auch Magdalena Los Malerei auf Latexgrund und die von unendlicher Akribie und Hingabe zeugenden Schriftbilder von Alexander Pröpster. Yuki Terasaka zeigt in seinen Stadtphotographien lediglich die Hälfte der Menschen. Auf keinem seiner Bilder sind Frauen zu sehen. Doch satt seid ihr noch immer nicht? Dann könnt ihr auch während der gesamten Ausstellungsdauer Alice Peragines Radiosender „Archipel“ entweder hier oder im Radiokiosk anhören – oder gar dem Funkfloß auf dem Veringkanal einen Besuch abstatten.

WANN: Die Eröffnung – mit standesgemäßer Fete – steigt schon heute Abend um 19 Uhr, die Ausstellung ist vom 8. – 10. Juli täglich von 14 bis 20 Uhr zu sehen. Wer nicht auf eigene Faust erkunden mag, kann an den täglichen Führungen um 16 oder 18 Uhr teilnehmen.
WO: HfBK Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2.

Ernst Ludwig Kirchner: Badende (Fehmarn), Öl auf Leinwand, 1912 © Osthaus Museum Hagen | Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf.

Ernst Ludwig Kirchner: Badende (Fehmarn), Öl auf Leinwand, 1912 © Osthaus Museum Hagen | Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf.

Farbe satt gibt es im Ernst-Barlach-Haus. Bedeutende Werke des Expressionismus, zusammengetragen durch den Kunstsammler Karl Ernst Osthaus, stellte dieser zunächst in seinem 1902 in Hagen gegründeten „Folkwang-Museum“ aus. Dieses war weltweit das erste Museum für zeitgenössische Kunst und machte die westfälische Stadt zum Mekka für fortschrittliche Künstler und Kunstfreunde. Nach seinem Tod 1921 wurde die Sammlung durch Osthaus’ Erben nach Essen verkauft und bildet den Grundstock des dortigen Museum Folkwang. Nichtsdestoweniger ist die Sammlung des Osthaus Museums in Hagen eine der bedeutendsten Deutschlands.  2015 im Wiener Leopold Museum beginnend, ist diese nun auf Tour. Seit Mai gibt es den Farbenrausch des Aufbruchs in die Moderne in Hamburg zu genießen.

Gezeigt werden Werke von Hauptvertreter des deutschen Expressionismus wie Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff sowie Künstler des Blauen Reiters wie Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky und Franz Marc. Radikal subjektiv und mit Freude am Risiko wählten auch die Mitglieder der 1905 gegründeten Künstlergruppe „Brücke“ ihre Motive und Farben. Ihre expressive Bildsprache war unmittelbarer Ausdruck eines neuen, individuellen Lebensgefühls und repräsentiert bis heute ein grundlegend verändertes (Selbst-) Verständnis des Künstlers in der Gesellschaft, weg von gesellschaftlichen Zwängen, hin zu intensivem Erleben und ungehemmter Vitalität – Befreiend, kraftvoll und farbenfroh.

WANN: Öffentliche Führungen finden immer sonntags um 11 Uhr statt, die Ausstellung ist noch bis zum 25. September zu sehen.
WO: Ernst-Berlach-Haus, Baron-Voght-Straße 50a im Jenischpark.

Iris Albrecht: Leere-Fülle, Installation (Entwurf), 2016, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016.

Iris Albrecht: Leere-Fülle, Installation (Entwurf), 2016, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016.

Als Contra Punkt zu all’ der Völlerei versteht sich die Jahresausstellung des Berufsverband bildender Künstlerinnern und Künstler Hamburg im Kunsthaus. Unter dem durchaus als Provokation zu verstehenden Titel „Danke, wir brauchen nichts“ werden aktuelle Themen wie die Wohlstands- und Konsumgesellschaft oder der Umgang mit Ressourcen genauso aufgegriffen, wie die immerwährende Frage danach, was man wirklich braucht. Die ausgewählten Werke sollen das Spannungsverhältnis zwischen Wertigkeit und Verwertung ausloten. Durch die vielen unterschiedlichsten Medien ist der Bogen weit gespannt – von starken Blickfängen über politische und humoristische Kunstformen zu poetischen und nachdenklich stimmenden Arbeiten. Eine Ausstellung über alles, was wir haben.

WANN: Die Eröffnung findet am 11. Juli statt und bis zum 21. August könnt ihr eure Augen weiden.
WO: Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15.

Wir hoffen, dass ihr nach der kulinarischen Reise durch diese Schmankerln schön satt und zufrieden in die Schnöderie des Alltags zurückkehren könnt!

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