Globale Akademie?
Tagung der Salzburger Sommerakademie

16. August 2016 • Text von

Bischof? Kaiser? Jedermann! Wie globale Kunstausbildung ohne Bürokratie und Verschuldung funktionieren kann, wurde bei der Tagung der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg gefragt. Wir haben Vertretern von Kunstschulen aus der ganzen Welt gelauscht, wie sie neue Modelle der Kunstausbildung zwischen Selbstverantwortung und Kunstmarkt diskutierten.

Werke aus der Klasse von Nora Schultz

Werke aus der Klasse von Nora Schultz

Während unten auf dem Kapitelplatz bereits die ersten Festspielgäste ihre Abendgarderoben im typisch salzburgerischen Schnürlregen ruinieren, geht es für uns mit der Zahnradbahn auf die Festung Hohensalzburg. Wer sportlich auch nur etwas ambitionierter ist, kann den Aufstieg zu Fuß jedoch leicht bewältigen. Einmal oben angekommen, wird man mit einer unverschämt schönen Aussicht auf die Stadt belohnt. Fabelhafte Anblicke bieten sich glücklicherweise auch überdacht: So lernen beispielsweise im diesjährigen Kurs von Nora Schultz Skulpturen aus dem Fenster hinaus zu laufen, was einen wirklich gelungenen Kontrast zu dem historischen Gemäuer zaubert.

Neben der Felsenreitschule oder dem Jedermann ist auch die Sommerakademie eine wahre Institution im überschäumenden kulturellen Leben der kleinen Stadt an der Salzach. Am 6. August 2013 feierte die somit älteste Sommerakademie Europas ihr 60-jähriges Jubiläum. Zum Vergleich: Die documenta 1 fand 1955 statt, also zwei Jahre nachdem Kokoschka die „Schule des Sehens“ ins Leben rief. Die Akademie war von jeher ein Ort der internationalen Begegnung und Vernetzung. Global und für alle zugänglich, als Gegenmodell zu den traditionellen nationalen Kunstakademien konzipiert, birgt bereits das Leitbild einige der Fragestellungen, denen unter der Überschrift „Globale Akademie?“ auf den Grund gegangen werden soll.

Blick von der Festung auf das verregnete Salzburg

Salzburg, verregnet: Blick von der Festung

Heutzutage agieren Künstler wie selbstverständlich in einer globalen Welt. Davon zeugt beispielsweise die immense Anzahl weltweiter Residencies, in Form von Stipendien vermittelten Atelierprogrammen für Auslandsaufenthalte. Einige besonders ausgefallene Programme könnt ihr hier begutachten. Residencies sollen Künstlern und Kuratoren ermöglichen an verschiedenen Orten Kontakte zu knüpfen, zu recherchieren und unterschiedlichste historische, ökonomische und kulturellen Einflüsse in ihren Arbeiten produktiv zu machen. Doch wie kann Kunst aus verschiedenen Regionen der Welt sowohl lokal wirksam als auch global verstanden und vermittelt werden? Und was sind typische Herausforderungen einer Aus- oder Weiterbildung im globalen Kunstfeld?

Bereits in Kokoschkas Lehrkonzept gab es keine Trennlinie mehr zwischen künstlerischem Handwerk und umfassender intellektueller, humanistischer Bildung. Doch die Vorstellung davon, was eine Ausbildung in der internationalen bzw. globalen Kunstwelt leisten kann und muss, hat sich seitdem sukzessive erweitert. So kommen die Studierenden und Lehrenden der Salzburger Akademie mittlerweile aus mehr als 50 Ländern. Höchste Zeit also, anhand einiger exemplarischer Ansätze aus der ganzen Welt in einen Dialog über unterschiedliche, überwiegend informelle Modellen und Initiativen der Kunstausbildung zu treten. Diesem Austausch wollte die Tagung am 5. und 6. August im Salzburger Kunstverein eine Plattform bieten.

Salzburg, sonnig: Mittagspause der Tagungsteilnehmer vor dem Kunstverein

Salzburg, sonnig: Mittagspause der Tagungsteilnehmer vor dem Kunstverein

Eines der internationalen Kernprobleme ist aus deutscher Sicht wohl nicht sofort ersichtlich: Während die renommiertesten Akademien hierzulande staatlich getragen sind, ist beispielsweise in den USA ein „Master of Fine Arts“ mit etwa 120.000 Dollar Studiengebühren zu veranschlagen. Damit rangiert dieser Studienabschluss unter den Top Ten der teuersten Ausbildungen. Es drängen sich Fragen danach auf, welche Erlöse Kunstwerke einerseits erzielen müssten, um eine derartige Verschuldung zu legitimieren und wie andererseits also das Kunststudium als ein ganz und gar nicht egalitäres Privileg anzusehen ist, das vor allem ökonomisch wohlhabenden, bildungsnahen Schichten zugutekommt. Dass Kunst wohl viel zu oft brotlos ist, ist nun wirklich keine amerikanische Binsenweisheit.

Auch in Europa hat der Bologna-Prozess mit seinem Anspruch an eine marktgerechte Standardisierung das Kunststudium längst erfasst. Weniger noch als jedes andere Studium lässt sich jedoch das individuelle Künstlersein verschulen, in Lehrpläne und Prüfungsinhalte einteilen. Wie die Kunstausbildung Bürokratisierung und Verschuldung abschütteln kann, beantworten die einzelnen Initiativen dementsprechend höchst individuell.

Vertreter verschiedener Institutionen, v.l.n.r: Farid Rakun, Toleen Touq, Koyo Kouoh, Ahmet Ögüt, Gabrielle Schleijpen, Carla Herrera-Prats, Allessio Antoniolli

Vertreter verschiedener Institutionen, v.l.n.r: Farid Rakun, Toleen Touq, Koyo Kouoh, Ahmet Ögüt, Gabrielle Schleijpen, Carla Herrera-Prats, Allessio Antoniolli

Während die indonesische Gruppe ruangrupa in einem Prozess der permanenten Selbsterneuerung weder Studiengebühren noch feste Curricula hat und also auch keine akkreditierten Abschlüsse verleihen kann, beantwortet die Roaming Academy des Dutch Art Institutes die aufgeworfenen Fragen durch ihr nomadenhaftes „UFO Konzept“. Die Kunst müsse sich Landezonen außerhalb der Hipster-Ghettos schaffen, so der Ansatz. Und so lässt sich die roaming academy mal in London, mal in Sao Paulo oder eben in Jakarta nieder und vermittelt so auch den Spagat zwischen Globalität und Lokalität.

Eine der selbstorganisierten Schulen ist auch die seit 2012 in London kostenlos angebotene Open School East. In dem Gebäude einer alten Gemeindebücherei werden verschiedene Elemente und Ebenen von Kunstausbildung miteinander verwoben: Kernstück ist ein nicht-akkreditiertes Atelierprogramm für jeweils 13 associates, die von internationalen Künstlern, Kritikern und Kuratoren unterrichtet werden. Im Austausch für den Arbeitsplatz und das theoretische Fundament wird von den Teilnehmern erwartet, dass sie aktiv an den anderen, öffentlich zugänglichen Programmsäulen der Schule mitwirken und gestalten.

Ein Patentrezept für Freiheit und Flexibilität wurde auf der Tagung wohl nicht gefunden – Inspiration und Bereicherung sind die vorgestellten Ansätze allemal.

WO: Die internationale Sommerakademie für bildende Kunst Salzburg findet jedes Jahr auf der Festung Hohensalzburg statt. Die Teilnahme an der Internationalen Sommerakademie steht prinzipiell allen Interessierten offen, über die Zulassung entscheidet ein Auswahlverfahren. Ans Herz legen möchten wir euch außerdem den Kunstverein Salzburg, in der Hellbrunner Str. 3, das Museum der Moderne, Mönchsberg 32 und exemplarisch die Galerie Thaddaeus Ropac, Villa Kast, Mirabellplatz 2.

Eine Sonderstrecke nur über die Kunstlandschaft Salzburgs findet ihr hier.