Gleich zweimal!
Thomas Hirschhorns Präsenz in München

11. August 2016 • Text von

Thomas Hirschhorn ist bekannt für seine großen, oft raumgreifenden und dichten Installationen. In München sind gerade gleich zwei Arbeiten zu sehen: Das Haus der Kunst zeigt die Arbeit Outgrowth aus der Sammlung des Centre Pompidou und in der Pinakothek der Moderne können wir noch fast ein ganzes Jahr das Werk Doppelgarage begehen.

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Thomas Hirschhorn, Doppelgarage (2002) © VG Bild-Kunst, Bonn 2016.

Braunes, übliches Klebeband und Pappe sind gewohntes Material im Werk Thomas Hirschhorns. Sie verweigern sich dem Ansehnlichen. Die Doppelgarage (2002) ist nur von Innen architektonisch als eine solche erkennbar, auch wenn hier keine Fahrzeuge parken. Hier kommen Hobbyraum und Lagerstätte zusammen: Werkzeuge hängen an der Wand, zwei Modelleisenbahnen umqueren eine Landschaft aus übergroßen Pappmaché Pilzen, eingezogene, niedrige Wände formen Nischen und Regalbretter bringen ein wenig Ordnung. Alles Nebensache? Überall bedrängen uns Bilder der Gewalt, die sogar in den davor sicher geglaubten Privatraum vordringen. Die Arbeit setzt sich mit den Ereignissen des 11. September auseinander und bespricht hier mit Hilfe von Nietzsche die Ausmaße dessen. Überall kleben Textausschnitte, die nie aufhören in das Blickfeld des Besuchers zu rücken. Eine mit Klebeband beklebte Röhre, die in ihrer Form an eine Rakete, ein Flugzeug erinnert, durchbohrt die beiden Räume und verweigert dem Besucher kurze Wege – er ist gezwungen ganz um sie herum zu gehen. Die Verschlossenheit ist durch die Enge und Beladenheit omnipräsent und findet so zu einem introvertierten Fokus, der eine unumgängliche Auseinandersetzung mit Nietzsche und der abgebildeten Gewalt erzwingt. 

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Thomas Hirschhorn, Outgrowth (2005) © VG Bild-Kunst, Bonn 2016.

Viel offener hingegen ist die Arbeit Outgrowth (2005) im Haus der Kunst. Sie ist nicht raumgreifend, schafft es aber nahezu die hohen Wände des Haus der Kunst mit über Hundert Globen, die in sieben Reihen untereinander in einem Regal geordnet liegen, zu verdecken. Verformt werden sie durch aus Klebeband bestehende Geschwüre, darunter jeweils ein Bild aus den Printmedien, das ein Gewaltereignis abbildet. Hier wird das Ausmaß der Gewalt in Hinblick auf die ganze Erde betrachtet und lässt von einem eurozentristischen Blick ab. Die reflexive Einbettung des reinen Gewaltbildes passiert unter anderem durch die Intention einer archivarischen Ordnung. Ähnlich wie die räumliche Enge in der Doppelgarage, führt hier das Viele und Unausweichliche zu einem erdrückenden Gefühl, dem man sich schwer entziehen kann. Die einzelnen Ereignisse unterliegen einem globalen Blick und zeigen das große Ausmaß von Gewalt. 

Thomas Hirschhorns Arbeiten sind komplex und verlangen etwas vom Betrachter ab. Die rohe Materialwiederholung schafft die Rahmenbedingung für Verständnis, denn sie verwehrt sich dem Schönen und hält das Viele in einem Gerüst zusammen. Die Hinzunahme der Gewaltbilder mag zunächst verstören, steht die Frage im Raum, wie sehr die Arbeit aufgrund des Gezeigten Aufmerksamkeit gewinnt. Eine Provokation? Zumindest beginnt hier die Suche nach der künstlerischen Reflexion, die mit bewusster Konfrontation eingeleitet wird. Das kennt man schon von Hirschhorn. Er macht es uns nicht leicht, hält uns fest, denn die Auseinandersetzung ist so notwendig geworden. Beide Arbeiten sind auch nach mehr als zehn Jahren sehr aktuell. 

WANN: Doppelgarage steht bis 30.06.2017, Outgrowth ist nur noch bis 04.09.2016 zu sehen
WO: Pinakothek der Moderne, Barerstrasse 29, 80333 München und im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München

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