Gavin Evans und der demokratische Art Space

4. April 2016 • Text von

Am Holzmarkt gibt’s was Neues! Studio, Galerie, Veranstaltungsort – The Institute hybridisiert die starren Begrifflichkeiten zu einem freien Ort für kreatives Schaffen ohne großes Tamtam.

Wären wir in einer kalten Februarnacht nicht zufällig in die schlauchförmige, weiß getünchte Halle unter dem Bahnbogen der S7 gestolpert, dann hätten wir davon zunächst auch gar nichts mitbekommen. So hat uns der Zufall zum Eröffnungsabend von The Institute geschickt. Von links und rechts blickten uns im Raum schwebende Porträts von David Bowie mit stechendem, klaren Blick entgegen. Irgendjemand verteilte Hostien mit aufgedrucktem Bowiekopf an die bunte Menge und die Stimmung war bombig. Schnell war das Paar ausfindig gemacht, das dafür verantwortlich war: Fotograf Gavin Evans und Kodirektorin Michaela Murken bespielen gemeinsam die Räumlichkeit. Und waren bereit ein paar neugierige Fragen zu beantworten.

Gallerytalk.net: Lieber Gavin, erzähl doch mal: Wie seid ihr zu diesem großartigen Space gekommen und was habt ihr damit vor? Nach einer Galerie im klassischen Sinne sieht es hier ja nicht aus.
Gavin Evans: Michaela und ich hatten die Räume mit Spreeblick schon im September 2014 gesichtet, als wir gerade nach Berlin gezogen waren. Wir dachten uns noch, dass das die perfekte Location für mein Studio wäre. Das war der ursprüngliche Plan. Und prompt kriege ich ein Jahr später einen Anruf von einem Freund, der gehört hat, dass eine Einheit am Holzmarkt frei wird. Kismet oder Karma? Nachdem wir erstmal gründlich von den Holzmarktleuten unter die Lupe genommen wurden, haben wir dann die Schlüssel zu der Wahnsinnsräumlichkeit bekommen. The Institute ist nun nicht nur mein Studio, sondern zu einem hybriden Raum der Künste geworden, einem Ort zum Experimentieren, Kreieren und Ausstellen.

The Institute, © Gavin Evans

The Institute, © Olli Vignir Sigurvinsson.

Höre ich da zu Recht Ironie aus eurem sehr offiziell klingenden Namen tönen? Damit würde man jetzt nicht unbedingt eine alte Industrieeinheit unter der Hochbahn assoziieren.
Natürlich ist der ironisch, unser Ethos ist alles andere als dienstfertig! Meine kleine Edinburgher Galerie hatte ich damals ebenfalls so getauft. Alle wollten immer wissen: „Institute of what“? Und ich konnte dann sagen: von was auch immer du willst. Es ist dein Institut und es ist demokratisch.

Eure Debütausstellung im Februar bestand aus einer Reihe sehr intimer Porträts von David Bowie, die du 1995 von ihm geschossen hast. Eröffnet habt ihr nur fünf Wochen nach seinem Tod. Kalkül oder Zufall?
Eigentlich hatten wir vor mit einer Ausstellung mit dem Titel „The Trinity“ zu eröffnen. Es sollten meine Porträts dreier Künstler gezeigt werden, die alle eine sehr persönliche Verbindung zu Berlin pflegten: Iggy Pop, Nick Cave und David Bowie. Sobald wir aber dann von Bowies Tod erfuhren, war sofort klar, dass wir die Ausstellung seiner Erinnerung widmen würden.

Gavin and Michaela at The Institute, © Gavin Evans.

Gavin and Michaela at The Institute, © Gavin Evans.

Das wurdest du in den letzten Wochen sicherlich unzählige Male gefragt, aber wir wollen es auch wissen: Wie war das so mit so einer Ikone zusammenzuarbeiten?
Bowie war ein Gentleman, weder prätentiös noch affektiert, sondern sehr humorvoll und bodenständig. Er hat sich die Arbeit von jedem, der ihn fotografiert hat, vorher genau angeguckt. Unter Berücksichtigung meiner Arbeitsweise hat er dann ein Paar saphirblauer Kontaktlinsen mitgebracht, als exklusives Feature für meine Fotos. Es war schon erstaunlich, wie unberührt er von der ganzen Aufmerksamkeit und dem Druck, der damit einhergeht, schien. Von der Sekunde, in der er das Studio betrat, bis zu dem Moment, als er ging, war er einfach nur David.

Ein ganz bestimmtes Porträt, das du von ihm gemacht hast, fand Bowie besonders gut. Er hatte es in seinem New Yorker Büro hängen und wollte es als Coverbild für das Buch zu seiner Ausstellung „Bowie Is“ im V&A in London nutzen. Was ist es, das deinen persönlichen Stil ausmacht?
Erstmal möchte ich das, was ich da mache, entmystifizieren. Letztendlich bestimmt mein Sagen und Tun das Resultat des Bildes. Alles, was ich machen kann, ist Reaktionen hervorzurufen und diese abzulichten. Die Fotografie ist damit auch ein Abbild von mir, denn auch ich spiegle mich in meinen Modellen wieder und werde entblößt. Es ist daher mein Charakter, der meinen besonderen Stil ausmacht. Ich habe keine göttliche Gabe, die mich das Wesen meiner Modelle einfangen lässt. Ich handle nicht mit Seelen, ich bin kein Verkäufer.

The Institute, © Gavin Evans.

David Bowie at The Institute, © Gavin Evans.

Du arbeitest an unterschiedlichen Fotoserien gleichzeitig. Deine „Nightscapes“ beispielsweise, Aufnahmen von Indien in nächtlicher Ruhe, haben in Großbritannien besonders viel Aufmerksamkeit geweckt. Welches Projekt liegt dir am meisten am Herzen?
Meine Porträtreihe von Barrie, einem Obdachlosen, dem ich in Glasgow begegnet bin, ist für mich die persönlichste Arbeit. Wir haben uns über ein ganzes Jahr immer wieder in meinem Studio getroffen, woraus eine enge Freundschaft entstand. Unser gemeinsamer Lebensweg war für uns beide sehr prägend. Für einen kurzen aber tiefgreifenden Moment konnte das Medium der Fotografie ihn zur Reflexion und Veränderung anregen. Unglücklicherweise ließ ihn die Gesellschaft nicht zurückkehren.

Liegt darin deine Faszination für Porträtfotografie?
Was mich reizt, ist die Herausforderung. Zwei Fremde treffen unter außergewöhnlichen Umständen zum ersten Mal aufeinander, mit der Mission etwas zu kreieren. Jedes Treffen ist anders, doch immer muss ich Witz, Charme und Grundlagen der Psychologie an meinem Modell anwenden. Porträtkunst ist ein Tanz, er kann als Walzer beginnen und im Tango enden – alles eine Frage des Timings.

Barrie, © Gavin Evans.

Barrie, © Gavin Evans.

Eure Ausstellung war so ein großer Erfolg, dass ihr jetzt damit um die ganze Welt tourt, von Island über Frankreich bis nach Japan. Hast du da überhaupt noch Zeit zu tanzen?
Ich muss die Zeit dafür zu finden! Die Abende verbringe ich derzeit mit meinem „Playgrounds“ Projekt: Ich dokumentiere die Orte, an denen Berliner ihre sexuellen Fantasien ausleben. Und nächstes Jahr werde ich sicher wieder nach Indien zu fahren, um meine „Nightscapes“ zu vollenden.

Bevor Michaela und du hierher gezogen seid, habt ihr in Edinburgh gelebt und gearbeitet. Hat deine Fotografie von dem Ortswechsel, und vor allem von den Berlinern profitiert?
In Berlin zu sein bereichert mich unbeschreiblich als Künstler genauso wie als Bewohner. Das Publikum hier ist offen für meine Ideen und würdigt und unterstützt meine Arbeit. Diese verrückte Stadt ist eine unerschöpfliche Quelle an Stoff für einen Künstler wie mich, der sich auf die Menschen fixiert.

Naked Touch, © Gavin Evans.

Naked Touch, © Gavin Evans.

Mit dem tollen Start, den ihr hattet, habt ihr euch die Latte ziemlich hochgesteckt. Wie geht es jetzt weiter?
Wir waren extrem überrascht und ermutigt von den hohen Besucherzahlen, da wir uns ja eigentlich eher abseits der abgetretenen Pfade befinden. Die Herausforderung liegt nun darin ein kulturelles Programm zu kuratieren, das das Momentum fortführt. „The Trinity“ haben wir jetzt auf die Sommermonate verlegt. Aber neben Ausstellungen werden hier auch regelmäßige Film- und Musikevents stattfinden. Kulinarische Soireen in Zusammenarbeit mit dem Holzmarkter „Fame“ Restaurant nebenan stehen auch auf dem Plan. Den gesamten Mai über lade ich außerdem die Bewohner Berlins hierher ein, um sich für ein weiteres Kapitel meiner „Naked Touch“ Reihe vor mir zu entblößen und fotografieren zu lassen.

Kunst, Essen und Nacktheit also. Darauf freuen wir uns!

WO: The Institute, Holzmarkt 19-25, 19243 Berlin. Infos zu anstehenden Events findet ihr auf der Website.

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