Fahrt ins Blaue
Taiyo Onorato & Nico Krebs im KINDL

26. März 2018 • Text von

Distanzen unseres Lebens, geografische Verortung, Wahrnehmung von Entfernung. Abriss und Aufbau in Vergänglichkeit und Wachstum. Das Schweizer Duo Taiyo Onorato & Nico Krebs definiert durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Medien ihre globale Umgebung und erschafft auf diesem Wege eine greifbare Möglichkeit des Erfassens.

Ausstellungsansicht

Taiyo Onorato & Nico Krebs: Defying Gravity, Ausstellung im Maschinenhaus des KINDL (Installationsansicht zweiter Stock, M2) / Exhibition at KINDL’s Power House (installation view second floor, M2).

Was empfinden wir noch als Distanzen in unserem Leben? Der westliche Blick auf die Welt löst sich immer stärker vom Nahen und erlebt die Darstellung in quadratischen Feldern, kleinen Punkten und Bergen von oben, aus kilometerweiter Entfernung, durch den Blick aus dem kleinen Fenster des Jumbo-Jets. Es verformt sich durch Geschwindigkeit im Reisen und die permanente Verfügbarkeit tropischer Früchte aus der ganzen Welt, gesammelt im gekühlten Supermarktregal. Reales und Vorstellung verschwimmen und verbieten dem Schnelllebigen das Kennenlernen des Wirklichen. In einem Interview von 2016 berichteten Taiyo Onorato & Nico Krebs, der Reiz ihrer Arbeit läge vor allem darin, sich durch das Resultat selbst zu überraschen. Die Spannung entstünde durch die spontane Unvorhersehbarkeit und das Unerahnte.
Das Bild erwächst direkt im Moment, in dem die Künstler es erblicken, ohne vorherige Planung. Das Kunstwerk ist also schon da, immer real, immer präsent, aber bedarf derer, die ihm bewusst Raum widmen und es in Kontext stellen. Solcher, denen es auffällt. Onorato & Krebs stellen zufällig Gesehenes neben bewusst Konstruiertes. Die Frage danach, was schon da war und was neu hinzukam, bleibt der eigenen Fantasie überlassen.

Taiyo Onorato & Nico Krebs,Broken Street Line, 2008, C-Print, 54 x 75 cm © Taiyo Onorato & Nico Krebs, Courtesy Sies + Höke.

Gerade die eigentliche Reise lässt die Künstler zu Erlebenden ihrer eigenen Arbeit werden und das was daraus entsteht ist einerseits Dokumentation, gleichzeitig aber auch Fiktion, kann sich das Individuum doch nur zum Teil aus seiner eigenen Rolle lösen. Eigene Gedanken, Gefühle und erlernte Klischees unterwandern die rein sachliche Darstellung und lassen sie so zum Experimentierfeld werden, aus dem Kunst entsteht.

Das KINDL Berlin- Zentrum für Zeitgenössische Kunst präsentiert im Maschinenhaus die Überblicksausstellung Defying Gravity und zeigt, kuratiert von Andreas Fiedler, das künstlerische Schaffen von Onorato & Krebs der letzten 10 Jahren. Zwei Etagen füllen sich mit Film, Fotografie, Skulpturen und Installationen. Das Künstlerduo arbeitet seit 2003 gemeinsam und mehrfach international ausgestellt, unter anderem in Einzelausstellungen im MoMA PS1 New York, der Kunsthalle Mainz, dem Fotomuseum Winterthur, Foam Amsterdam oder dem Cincinnati Contemporary Arts Center. Sie leben und arbeiten in Bovec, Slowenien, Vyhne, Slowakei und in Berlin.

Die erste Etage des KINDL zeigt 16mm-Filme, aus Japan, Usbekistan, Turkmenistan, Berlin oder der Mongolei. Endlos wiederholt, Seite an Seite, eine Gruppe Lamas neben einer Gruppe Roboter, Pferde auf grünen Wiesen neben wütenden Männern. Gleich Staat neben Staat auf der Landkarte. Unterschiedlichkeit nebeneinander, miteinander, die Erde teilend. Den Mittelpunkt bildet die Arbeit Blockbuster, aus dem Jahr 2012 mit Live- Vertonung, dessen Ursprung durch Blick hinter die Leinwand ergründet werden kann.

Das zweite Geschoss widmet sich dem Spannungsfeld von zwei zentralen Werkgruppen. Die eine The Great Unreal, entstanden von 2005 bis 2009, ist eine umfangreiche analog aufgenommene Fotoreihe, aus mehreren Roadtrips durch die USA. Die technische Analogie erlaubt erst im Nachhinein die Analyse und unterbricht nicht im Schaffensprozess.

Die Bilder leben vom Kontext Hollywoods und dem amerikanischen Traum, die Weiterentwicklung der beiden Künstler führt zur surrealen Verfremdung und der Überspitzung von Klischeehaftem. Für die zweite Fotoreihe Continental Drift, aus den Jahren 2013 bis 2016, fuhren die beiden Künstler von Zürich in die Mongolei und erschufen so einen Gegensatz zu den bildlich omnipräsenten USA.

Ausstellungsansicht

Taiyo Onorato & Nico Krebs: Defying Gravity, Ausstellung im Maschinenhaus des KINDL (Installationsansicht zweiter Stock, M2) / Exhibition at KINDL’s Power House (installation view second floor, M2.

Neben Fotografien sind Skulpturen zu sehen, die sich mit den inszenierten Bildern verbinden. Konträr zueinander, ergänzen sie die Materialität der Fotografien.

Die dritte Fotoreihe Constructions/ Building Berlin wurde von den Künstlern in der Zeit von 2009 bis 2012 in Berlin gemacht. Hier stellten Onorato & Krebs durch das Hinzufügen von Holzgerüsten, die Silhouetten der dahinterliegenden Gebäude nach und kreierten so eine illusionistische Verbindung.

Gebäude

Taiyo Onorato & Nico Krebs, Potsdamer 1, 2010, Silver Gelatine Print, 52 x 63 cm © Taiyo Onorato & Nico Krebs.

Die Bilder, gemacht in Mahrzahn, an der Heidestraße oder am Potsdamer Platz, wurden so neben künstlerischer Arbeit auch zu Zeitgeschichte in erweiterter Form.

WANN: Vom 25. März bis zum 15. Juli.
WO: KINDL- Zentrum für zeitgenössische Kunst, Maschinenhaus M1 und M2, Am Sudhaus 3, 12053 Berlin.

 

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