Erlaubt ist, was gefällt
Positions Berlin 2016

19. September 2016 • Text von

Die Positions birgt große Herausforderungen für das ästhetisch sensibilisierte und elitär verschulte Auge. Sie lehrt uns aber gleichzeitig auf liebevolle Art, dass Kunst am Ende des Tages auch ein Handwerk ist, dem es nicht gut daran tut, nach unbarmherzigen Maßstäben beurteilt zu werden.

Various artists, Progammkünstler/innen der Galerie dr. julius, Copyright & courtesy: Matthias Seidel und / and VG Bild-Kunst

Various artists, Progammkünstler/innen der Galerie dr. julius, Copyright & Courtesy: Matthias Seidel und VG Bild-Kunst

Beim Schlendern durch den Postbahnhof am Ostbahnhof – ja, hier kann man schlendern und muss nicht erhobenen Hauptes hetzen – lernte ich eine neue Seite an mir kennen. Sie hat mich erschrocken. 

Hochnäsig belächle ich das längst Dagewesene, das zu Offensichtliche und das irgendwie Unbeholfene, das mir hier geboten ist. Fast schon willkürlich werfe ich innerlich mit dem vernichtenden Stempel des „Dekorativen“ um mich; denke, dieses Zeug gehört in den Warteraum einer Arztpraxis oder auf den Tumblr-Blog aber doch nicht in unsere schöne, prätentiöse Kunstwelt! Die viele Malerei finde ich irgendwie lästig, scheinbar ist sie doch nicht vom Aussterben bedroht. Ja, Manches ist ganz nett, ein schönes Farbarrangement oder so, Anderes ist der reine Augenkrebs, aber daran wiederum erfreue ich mich fast kindlich. Hier hab ich keine Berührungsängste.

Rainer Fetting, Skaterpark, 2016, Copyright & Courtesy: Der Künstler und Galerie Thomas Fuchs, Stuttgart

Rainer Fetting, Skaterpark, 2016, Copyright & Courtesy: Der Künstler und Galerie Thomas Fuchs, Stuttgart

Es herrscht definitiv eine andere Stimmung als auf der weitaus etablierteren „art berlin contemporary“, die zeitgleich in der Station am Gleisdreieck stattfindet. Dort stellen die großen Namen wie Sprüth Magers oder Johann König die großen Künstler wie Jorinde Voigt oder Erwin Wurm zu noch größeren Preisen für wichtige Sammler aus. Auf der „abc“ ist alles slick und shiny. Die Galerien ziehen sich ihre Asse aus den Ärmeln um möglichst gut zu verkaufen und die Kunst ist so hochwertig und teuer produziert, dass sie quasi „relevant“ sein muss. Dort traute ich mich kaum, kritisch zu sein, denn vielleicht bin ich ja einfach nur zu blöd und ungebildet um diese eine Neon Leuchtschrift zu verstehen? Dort schrieb ich der Kunst jedenfalls eine sehr viel größere Autonomie zu, und fühlte mich dabei klein.

Sabrina Haunsperg, o.T. (040616), 2016,Foto: Ben Hermanni, Courtesy: Galerie Judith Andreae, Bonn

Sabrina Haunsperg, o.T. (040616), 2016,Foto: Ben Hermanni, Courtesy: Galerie Judith Andreae, Bonn

Die Positions findet erst zum dritten Mal statt – Sie probiert sich noch aus, das merkt man. Die Messe und ihre Aussteller blasen sich nicht auf, deklarieren ihre Kunst nicht implizit als Zeitgeist wie die „abc“ es tut. Von den meisten Galerien und Künstlern habe ich noch nie gehört, aber hier verunsichert es mich nicht. Die großen Sammler – oder jene, die so tun als wären sie welche – tummeln sich hier nicht, das Publikum ist eine angenehme Mischung aus jungen Kunstinteressierten und Gelegenheitskäufern. Hier geht das auch, denn die Preise sind nicht so exorbitant wie woanders, teilweise sind sie mit Bleistift auf die Wand neben dem Werk hingekritzelt und das freut mich irgendwie. Insgesamt scheinen die Leute hier das Ganze nicht allzu wichtig zu nehmen. Hier uns da stehen die Werke auf Luftpolsterfolie einfach am Boden, eine falsche Jahreszahl wird auf dem Label einfach durchgestrichen und das finde ich schon sehr charmant.

Sebastian Meschenmoser, Galerie Greulich, Foto: Eva Beck

Sebastian Meschenmoser, Galerie Greulich, Foto: Eva Beck

Ich beginne milder zu werden, mein scharfes erstes Urteil über die gezeigte Kunst zu revidieren, Respekt zu gewinnen vor den Künstlern dahinter, und mich selbst zu verabscheuen. Denn mit welchen Ansprüchen kann man an eine Kunstmesse schon rangehen? Da es ums Kaufen geht, wird die Kunst doch sehr neutral dargeboten und dem subjektiven Geschmack überlassen. Auch andere Kunstmessen bieten wenig Bahnbrechendes oder Polarisierendes, denn das wäre im Hinblick auf die teuren Standgebühren viel zu risikoreich. Und so funktioniert das auch, das verraten mir zumindest die ganzen roten Punkte überall. Wie, frag ich mich also, kann man die Kunst in diesem Kontext nach Relevanz bewerten? Man kann es nicht, klare Sache. Mir bleibt daher nur noch eines zu sagen: Auf der Positions hatte ich einen riesen Spaß!  

Kurt von Bley, The boy with the thorn in his side, 2012, Copyright & Courtesy: Der Künstler und WeGallery, Berlin

Kurt von Bley, The boy with the thorn in his side, 2012, Copyright & Courtesy: Der Künstler und WeGallery, Berlin

WO: Positions Berlin, Postbahnhof am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8, 10243 Berlin
WANN: 15. – 18. September 2016

 

 

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