Eine Festung für das Leben
La Tomba Brion in Klaus Kinolds Blick

5. November 2016 • Text von

Vergangenheit und Gegenwart, Tod und Leben, Wasser und Beton. Die Galerie Walter Storms zeigt in der Ausstellung „La Tomba Brion“ beeindruckende Architekturfotografie. Klaus Kinold übersetzt die Stimmung eines Ortes der Trauer kongenial in schlichte, dennoch imposante Bilder.

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Klaus Kinold: Carlo Scarpa, La Tomba Brion, San Vito d‘Altivole © Foto Klaus Kinold, 1985.

Der Venezianer Carlo Scarpa zählt zu den herausragenden Architekten des 20. Jahrhunderts. Beeinflusst vom Jugendstil, dem Handwerk der Wiener Werkstätten und Frank Lloyd Wright, aber auch von japanischer Architektur und Gartenkunst, sah sich der Architekt mehr als Künstler denn als Baumeister. Der große Einzelgänger der italienischen Architektur schuf neue Bauten für bekannte Museen und gestaltete Ausstellungen. Zu seinen zentralen Werken gehört aber sicherlich die weitläufige Grabstätte „La Tomba Brion“ bei San Vito in Norditalien. Hier konnte er seine Konzepte bis ins Detail ausführen, die Auftraggeber, die Unternehmerfamilie Brion, ließen ihm größtmögliche Freiheit bei der Realisation dieses Projektes zwischen Vergangenheit und Zukunft.

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Klaus Kinold: Carlo Scarpa, La Tomba Brion, San Vito d‘Altivole © Foto Klaus Kinold, 1985.

Die Monumentale Grabanlage bildet ein ganzheitliches Ensemble, subtil überlagern sich die gestalterischen Schichten. Wasser, Beton und Natur verbinden sich zu einer perfekt inszenierten Erlebnislandschaft. Außen- und Innenräume gehen rhythmisch ineinander über, farblich kontrastiert sich das Grau des Betons mit goldenen Applikationen. Detailreich und präzise. Phantasievoll und doch modern ergänzen sich die unterschiedlichen Formen, Öffnungen geben Blickachsen frei. „La Tomba Brion“ ist nicht lediglich ein Friedhof, es ist ein stiller Ort der Reflexion, ein „heiterer Ort der Meditation“ wie Scarpa selbst sein Werk beschrieb. Ein Gesamtkunstwerk aus Räumen, Gärten und Übergängen, Materialität und Form. Immer in Veränderung, der Zeit preisgegeben. Ein Stück gebaute Poesie.

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Klaus Kinold: Carlo Scarpa, La Tomba Brion, San Vito d‘Altivole © Foto Klaus Kinold, 1985.

Sieben Jahre nach der Vollendung des Ensembles hatte der profilierte Münchner Architekturfotograf Klaus Kinold 1985 die Chance, diese Stätte der Ruhe mit seiner Kamera zu vermessen und zu ergründen. In seinen Bildern lenkt er den Fokus mal auf Details, schafft Blickachsen und fängt gekonnt die Proportionen dieses speziellen Ortes ein. Seine Bilder sind entschieden konstruiert, das Spiel aus Schatten und Licht hebt die Plastizität der Materialien heraus. Die Komplexität der Anlage übersetzt er in poetische Bilder. Er lenkt den Blick auf ornamentale Motive und kreiert Perspektiven. Kinold porträtiert diesen entrückten Ort, integriert die Reflexionen und Spiegelungen des Wassers und die Umwelt. Er hatte das Glück, den Ort im Idealzustand vorzufinden. Einige Jahre nach der Fertigstellung konnte die Natur eine leichte Patina auf die Oberflächen legen, der Zahn der Zeit hatte erste, zarte Spuren hinterlassen. Ein vollendetes Zusammenspiel aus Natur und Kunst.

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Klaus Kinold: Carlo Scarpa, La Tomba Brion, San Vito d‘Altivole © Foto Klaus Kinold, 1985.

In der Galerie Walter Storms schaffen seine Bilder nun eine fast meditative Auseinandersetzung mit einem speziellen Ort. Die Fotografien sind nicht lediglich Architektur-Dokumentation, sie entfalten ihren eigenen künstlerischen Ausdruck. Die technisch perfekten Bilder schaffen ein Gefühl für die kostbaren Materialien und setzten die kleinen Details wie die großen Linien ins rechte Licht. Kinold schafft es, den genius loci dieser Bastion für das Leben und den Tod zu transportieren.

Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein Künstlerbuch mit Bildern von Klaus Kinold und einem Essay von Hans-Michael Koetzle.

WANN: Die Ausstellung ist noch zu sehen bis 23. Dezember.
WO: Walter Storms Galerie, Schellingstraße 4, 880799 München.

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