Eindrücklich
Eva Fàbregas im Kunstverein München

12. April 2019 • Text von

Die körperliche Präsenz der Werke ist spürbar, fast greifbar. Haptische Oberflächen und fließende Formen ziehen sich durch den Ausstellungsraum des Kunstvereins. Von elektronischer Musik beschallt sind hier verschiedene, prothetische Objekte spielerisch im Raum platziert. Gegen den Drang des Berührens müssen die Betrachtenden jedoch ankämpfen. In Eva Fàbregas Ausstellung “Those things your fingers can tell” darf man sich nicht verführen lassen, denn Anfassen ist verboten.  

Eva Fàbregas, Those things your finger can tell at Kunstverein München, 2019: Pumping (2019), 8-channel sound installation, sensory balls, lycra, mesh, EVA foam, latex and silicone tubing, subwoofers, electronic components, variable dimensions.

Bereits am Treppenabsatz ist die elektronische Musik zu hören, die die Besucher in die Ausstellungsräume des Kunstvereins München lockt. Ein paar Schritte nach oben – schon ist die erste Skulptur zu erkennen. Lässig wurde das rosafarbene, gebogene Objekt über das gemauerte Treppengeländer gelegt. “Shaper” schmiegt sich an die Architektur des Raumes, wie es sich normalerweise an menschliche Nasen schmiegen würde. Auf den ersten Blick nicht erkennbar, handelt es sich hierbei nämlich um die Abbildung einer Nasenklammer, die üblicherweise zum Schwimmen benutzt wird. Durch die Vergrößerung im Maßstab 1000:1 verliert sich scheinbar die Funktion des Objekts, welches nun statt auf menschliche Körper auf die Raumarchitektur einwirkt und diese, wie eine Prothese, korrigiert und formt.

Eva Fàbregas, Those things your finger can tell at Kunstverein München, 2019.

In Eva Fàbregas raumgreifender Installation besitzen die Werke eine verbindende Gemeinsamkeit, sie alle beschäftigen sich mit Körpern und stellen Objekte dar, die auf diese einwirken. So ist auch die anfangs kryptisch wirkende Wandzeichnung zu erklären, die sich im ersten Raumabschnitt großflächig verteilt. Hier sind gebrochene Formen und Abstraktionen von einer Vielzahl an therapeutischen, ergonomischen und erotischen Gegenständen abgebildet. Abgerundete Objekte, die in den Körper eindringen, ihn beeinflussen und von ihm beeinflusst werden, sind zu erkennen. Erneut spielerisch in die Architektur integriert ist das dominierende Trio “Pumping” – drei pastellfarbige, dicke Schläuche, die sich wie Würmer durch den größten, mittleren Raumabschnitt ziehen. Über Stahlseile gehängt und auf den Sturz unterhalb eines Wanddurchbruch abgelegt, nehmen sie den größten Bereich der Ausstellung ein. Fàbregas nennt die wülstartigen Gebilde “Inflatables”. Diese werden mit zwei Lautsprechern von der elektronischen Musik beschallt, welche die gesamte Ausstellung unüberhörbar begleitet. An ihnen befestigt sind stethoskopähnliche Aufsätze, die mit Röhren und Schläuchen versehen wurden. Durch diese Konstruktion scheint es den Wülsten möglich zu sein, die Musik in sich aufzunehmen. “Pumping” macht seinem Namen alle Ehre. Das Trio vibriert und pulsiert leicht unter dem Bass. Die Komposition haucht ihnen Leben ein.

Eva Fàbregas, Those things your finger can tell at Kunstverein München, 2019.

Im hinteren Bereich des Ausstellungsraums wird es intim. Eng umschlungen präsentiert sich das Werk “Kimberly & Chloe”. Als Betrachtende sind wir fast peinlich betreten, so liebevoll liegen sich die beiden Objekte in den Armen. Sie stellen eine pure Ergänzung ihres komplementären Partners dar. Die Gegenstände sind für sich Unikate, jedoch schmiegen sie sich perfekt ineinander. Verschmelzende Körper, die eins werden. Eine Liebesgeschichte, die Neid weckt. Wahrhaftig geschmolzen scheint das Innere des daneben befindlichen Objekts “Bite Plate”, das an den überdimensionalen Abdruck eines Gebisses erinnert. Inspiriert wurde Fàbregas tatsächlich von den durchsichtigen Schienen, die vor Zähneknirschen schützen sollen und zur Zahnkorrektur benutzt werden. Im Gegensatz zu den restlichen Objekten von “Those things your fingers can tell” ist hier etwas aus der Form geraten beziehungsweise geflossen. Die sonst so samtigen, glatten Oberflächen der prothetischen Gegenstände stehen im großen Kontrast zu der getrockneten Masse, die zähflüssig aus der Zahnschiene tropft und sich über den Boden verteilt. Die Künstlerin spielt mit alltäglichen Dingen, die auf unterschiedliche Art und Weise auf unsere Körper einwirken. Es wird gedrückt, geformt, korrigiert und belebt. In neuem Licht betrachtet, erfahren die prothetischen Objekte eine neue, sinnliche Funktionsweise. Egal wie nebensächlich etwas erscheint, Eva Fàbregas schafft es daraus eine unglaublich ästhetische Erfahrung für (fast) alle Sinne zu erschaffen. Aber Vorsicht: Anfassen bleibt verboten!

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Mai zu sehen.
WO: Kunstverein München, Galeriestraße 4, 80539 München.

Weitere Artikel aus München