Drehen und Wenden
Rotationsbilder von Alexander Iskin in der Sexauer Gallery

26. April 2019 • Text von

Interrealistisch nennt der Künstler Alexander Iskin unsere heutige Welt – eine Wirklichkeit und die Überlagerung durch eine zweite Realität. Die Sexauer Gallery präsentiert seine Bilder, die kein oben und unten haben. Stattdessen haben sie einen Rotationsmechanismus und laden zum Spielen ein.

Alexander Iskin (c) Sexauer Gallery

Kunst ist manchmal ein bisschen wie dieser Moment im Sommer, wenn man aus dem See steigt, sich auf die Decke wirft und so dreht, dass man den Himmel sieht. Der lange abschweifende Blick in die Wolken, gedankenverloren, bis zu dem Moment, in dem man plötzlich – mehr zufällig, als in Absicht – den riesigen Pudel entdeckt, der in weißer Watte durch die Lüfte zieht. Noch bevor man es schafft, seine Begeisterung laut kundzutun, hat er sich bereits in einen zierlichen Drachen verwandelt, der das erste Feuer-spucken übend über eine königliche Meerjungfrau fliegt. Ähnlich wie Wolkenformationen lassen sich die Werke des Künstlers Alexander Iskin in der Ausstellung „bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk“ betrachten. Ein Finden ohne Suche.

Malerei

#Planschvogel #Süßigkeitenbestäubung #Honigküsse #Frühlingserwachen #Hirschschnecke #Heckennofretete #BetrunkeneBäume #Flügelfisch #Geiertotem #NaturliebenderKuschelkönig #Morgenkukurukuku #GefallenerBaum #Geisterkönig #SpookyArchitecture #AggressiverPflanzenblitz #Entenausweichmanöver #Gießkannenhut, 2019, oil on jute, metal rotating mechanism, oak frame, 103 × 103 × 14,5 cm (c) Sexauer Gallery

Inspiriert durch die Felder und Flüsse an der Saale, erschafft Iskin interrealistische Landschaftsmalerei mit einer ganz einzigartigen Besonderheit – die Werke sind Rotationsbilder. Durch einen Drehmechanismus kann die Perspektive um 90 Grad verändert werden. Die Bilder haben kein oben, unten, links, rechts, sondern alles was gedreht werden kann, ist möglich. Wie bei Wolken am Himmel, kann die Erdrotation nachempfunden werden und eröffnet den Besuchenden pro Bild vielfach neue Inhalte.

Galerie Sexauer

#GefallenerSonnenRaupenSchneemann #Dorfhündchenbeschützer #Fledermaustotem#SchlossZeltÜbernachtung #MutterNatur, 2019, oil on jute, 200 × 300 cm (c) Sexauer Gallery

Sieht man das Werk als Spiegel und Projektion seiner eigenen Wahrnehmung und Gefühle, ist dies die absolute Übergabe von Freiheit über das Werk vom Künstler an die Betrachtenden. Ist dagegen das Bild fest an die Wand gehängt, gibt der Kunstschaffende die Perspektive vor. Durch die Richtung der Befestigung und die Höhe der Hängung wird der Betrachtende automatisch begrenzt. Möglichkeiten zum Perspektivenwechsel hat er dann nur, wenn er sich bückt oder auf die Zehenspitzen stellt, seinen Kopf zur Seite dreht oder gar einen Handstand macht. Körperliche Betätigung ist gefragt.

#bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk, 2019, exhibition view, Sexauer Gallery

Iskin macht es einem leichter. Seine Werke sind drehbar und somit allseitig verfügbar. Er löst alle Begrenzung auf und nimmt die Betrachtenden ernst in ihrer eigenen Kreativität und der Auseinandersetzung. Der Ansatz verfolgt einen sehr liberalen, fast anarchistischen Gedanken. Ausgestattet mit Handschuhen kann der Betrachtende das Werk wenden, wie er möchte und verliert sich für eine Weile in dem Spiel, seine eigene Ordnung herzustellen. Ordnung ist undefiniert, der Betrachtende ist frei. So frei, das Bild zu berühren, so frei, es schräg hängen zu lassen und einfach weiterzugehen, in dem vollen Bewusstsein, für jemand anders Unordnung hergestellt zu haben, der Besuchende als freches Kind, das auf der Wiese liegt und die Formation der Wolken betrachtet.

#bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk, 2019, exhibition view, Sexauer Gallery

Denn ganz von selbst verziehen sich die Formen in den Werken Iskins und bilden Figuren. Figuren, die auf den Kopf gestellt werden können und dadurch eine ganz neue Bedeutung erlangen. Alexander Iskins Werke bringen Spaß. Sie laden ein, wie bei einem Glücksrad mit Schmackes zu drehen, nur um auszuprobieren, was wohl mit der rasenden Perspektive passieren würde, wenn sie komplett verschwämme. Befreit von Clichés, erschafft der Künstler so eine Ausstellung für den mündigen Besuchenden und unterstützt dies durch den etwas wirr wirkenden Titel, der eine Aneinderreihung des Wortes Donner in zehn ausgestorbenen Sprachen darstellt. Es ist Zeit für einen donnernden Umbruch.

WANN: Die Ausstellung kann noch bis zum 8. Juni besichtigt werden.
WO: Sexauer Gallery, Streustraße 90, 13086 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin