Die Sonne im Zenit
Luzide Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst

1. Juni 2017 • Text von

Der Sommer ist zurück in München, grell und intensiv. Draußen strahlt die goldene Fassade des Lenbachhauses mit dem Planeten um die Wette, drinnen zeigt die Sammlung KiCo, welche Rollen Licht (und Schatten) in der zeitgenössischen Kunst spielen können.

Maria Lessing: Sanduhr, 2001 © Maria Lessing Stiftung Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Sammlung KiCo.

Maria Lessing: Sanduhr, 2001 © Maria Lessing Stiftung Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
Sammlung KiCo.

 „Mentales Gelb. Sonnenhöchststand“ lautet der Titel der Ausstellung und gibt zunächst Rätsel auf. Internationale Größen der Gegenwartskunst geben sich hier die Klinke in die Hand und bespielen mit Malerei, Fotografie, Film und Installationen die Räume des Museums. Verbindendes Element ist dabei die ursprüngliche Intention, die der Sammlung KiCo zugrunde liegt und sich stark vereinfacht in der Formel Farbe + Licht = Emotion zusammenfassen lässt. Eine Beobachtung, die einst in der Auseinandersetzung mit der Malerei im 20. Jahrhundert entstand, sich dann peu à peu auf die anderen Disziplinen ausdehnte und die Sammlung so sukzessive erweiterte.

Nimmt man den Namen der Ausstellung beim Wort, sind es als erstes die Künstlerinnen Maria Lassnig und Katharina Grosse, deren Arbeiten unmittelbar mit dem Titel in Verbindung treten. Lassnig, da sie in ihren Körpergefühlsfarben-Bildern die direkte Verknüpfung von Form, Farbe und Emotion erschafft. Vokabeln wie Schmerz-, Angst- oder Wärmefarben beschreiben die Idee hinter ihren Bildern und ihr Konzept von Malerei. Und Grosse, da sie mittels druckluftbefüllter Farbpistole großflächig kolorierte Ebenen kreiert, die einen nicht minder großen Assoziationsraum eröffnen.

Katharina Grosse: Ohne Titel, 2002 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Sammlung KiCo.

Katharina Grosse:Ohne Titel, 2002© VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Sammlung KiCo.

Durch ihre besondere Materialität und offensichtliche Vergänglichkeit bestechen die Arbeiten des Argentiniers Tomás Saraceno, der sich Spinnen zu seinen künstlerischen Komplizen macht. In Plexiglaskästen entsteht so ein fragiles Werk aus Spinnenseide, das er durch Drehen der Kästen oder gezieltes Einsetzen bestimmter Spinnenarten konstruiert. Saraceno lässt zum einen plastische Installationen entstehen, in denen sich die seidenen Fäden zu architektonischen Modellen aufbauen. Zum anderen präsentiert er Arbeiten, für die er die Netze auf Papier absenkt und hinter Glasrahmen stellt. Was im Plexiglaskasten deutlich als Netzstruktur zu erkennen ist, wirkt auf Papier wie eine filigrane Bleistiftzeichnung. Zentraler Aspekt ist der Lichteinfall, der den transparenten Fäden ihre plastische Dimension verleiht oder eine graphitartige Anmutung gibt. 

Ausstellungsansicht, 2017 Franz Ackermann, Meeting Point, 2004 / Große Wolke, 2004 / untitled (helicopter VII - all the places i have ever been to), 2000 (v.l.n.r.) Foto: Lenbachhaus Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Sammlung KiCo

Ausstellungsansicht, 2017 Franz Ackermann, Meeting Point, 2004 / Große Wolke, 2004 / untitled (helicopter VII – all the places i have ever been to), 2000 (v.l.n.r.), Foto: Lenbachhaus Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
Sammlung KiCo

Neben Malerei und Konzeptkunst sind es zwei Videoarbeiten, die die Ausstellung um eine weitere Disziplin ergänzen. Beide abstrahieren das Thema Licht und bringen eine zusätzliche gesellschaftspolitische Komponente mit ein. Sarah Morris zeigt in ihrem Film „Los Angeles“ die Vorbereitungen zur Oscar-Verleihung und stellt ihnen in einer Parallelmontage Eindrücken aus der Filmmetropole entgegen. Sie eröffnet einen schönen wie bizarren Blick auf die glamouröse Traumfabrik Hollywood und entlarvt das scheinbar improvisierte Funkeln als minutiös einstudierte Show. 

Ganz anders hingegen ist „Dog“, eine Videoarbeit des niederländischen Künstlers Erik van Lieshout, die eingebettet in eine Absperrung aus Bauzäunen läuft. Nüchtern und dokumentarisch begibt sich van Lieshout auf die Spur des Putin-Kritikers Aleksandr Dolmatov, der sich in einem deutschen Abschiebegefängnis das Leben nimmt, nachdem er fälschlicherweise die Ablehnung seines Asylantrags erhält. In „Dog“ kommt Helligkeit und Licht lediglich in seiner Negation vor. In Dunkeldeutschland, sozusagen.

„Mentales Gelb. Sonnenhöchststand“ ist eine bunte, interdisziplinäre Auswahl zeitgenössischer Kunst, deren übergeordneter Titel den gezeigten Arbeiten teils offensichtlich, teils tief verborgen eingeschrieben ist. Neben einem umfangreichen Arrangement vielfältiger Positionen, finden sich auch Räume, die eigens für die Ausstellung von teilnehmenden Künstlern wie Wolfgang Tillmans oder Katharina Grosse kuratiert sind.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 08. Oktober 2017 zu sehen.
WO: Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München.

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