Chatbots in Museen
Ines Woermann über den “helloguide"

6. September 2018 • Text von

Audioguide, Wandtext und Gruppenführung sind längst nicht mehr jedermanns Sache. Viele wollen Informationen heute “customized”, optimiert, verfügbar. Genau so stellen sich Ines Woermann und Tilo Ferrari die Zukunft der Informationsvermittlung im Museum vor. Per Chatbot versorgen sie Besucher mit individuellen Informationen – und zwar, was sonst, direkt auf’s Smartphone.

Chatbots im Museum; Die Idee von "helloguide"

Chatbots im Museum: Die Kunstvermittlung der Zukunft?

Ein Besuch im MoMA mit der gelangweilten Teenager-Tochter. Der klassische Audioguide ringt ihr nur ein Augenrollen ab: “Lass mal, Mama!” Keine Sternstunde für Ines Woermann als kunstbegeisterte Mutter, aber die Geburtsstunde der Idee der Marketing-Expertin zu “helloguide”, einem Konzept, das sie gemeinsam mit Co-Founder Tilo Ferrari entwickelt hat. Unter dem Motto “Engage your mobile audience” soll der Chatbot als textbasiertes Dialogsystem, das Chatten mit einem künstlich intelligenten Gegenüber ermöglicht, Besuchern ein neues Museumserlebnis bescheren und Institutionen eine einfache Möglichkeit bieten, ihre Inhalte zu vermitteln und neue Besuchergruppen zu erschließen. Wir haben mit Ines Woermann über ihr Start-Up gesprochen.

gallerytalk.net: Stellen wir uns vor, ich leite ein Museum und möchte meinen Besuchern den Chatbot zur Verfügung stellen. Was muss ich tun, wie funktioniert das?
Ines Woermann: Mit dem Chatbot machen wir aus Content Dialoge, die die Nutzer dann über Facebook Messenger, WhatsApp oder einen mobilen Webchat mit unserem System führen können. Die Museen können ihre Inhalte ohne großen Aufwand auf der von uns entwickelten Plattform hochladen, egal, ob Text, Audiodateien, Videos, GIFs und so weiter.

Und wenn ich als Museumsbesucher euer Angebot nutzen will?
Die Nutzer müssen nur die von uns vorgehaltene Mobilfunknummer zu ihren Handykontakten hinzufügen und können dann sofort mit dem Dialog beginnen. Sie brauchen keinen Speicherplatz für eine App auf ihrem Mobiltelefon und müssen auch nicht Dutzende von QR-Codes scannen. Das Prinzip ist simpel und lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel auf größere Veranstaltungen oder auf City-Touren.

Welche Besuchergruppen wollt ihr mit diesem Format besonders ansprechen?
Grundsätzlich jeden, der ein Smartphone hat, und dem durch private Nutzung Messenger wie WhatsApp vertraut sind. Wie schon die Entstehungsgeschichte zeigt, wollen wir uns besonders auch an die Digital Natives wenden, für die ihr Mobiltelefon ohnehin eine nicht mehr wegzudenkende und ständig genutzte Informationsquelle ist.

"helloguide"-Gründer Ines Woermann und Tilo Ferrari

“helloguide”-Gründer Ines Woermann und Tilo Ferrari

Wie unterscheidet ihr euch jenseits der technischen Rahmenbedingungen von Audioguides oder klassischen Museumsführungen?
Wir möchten den Dialog in den Vordergrund stellen, weil er die natürlichste Kommunikationsform ist. Wir glauben, dass man Besucher besser erreichen kann, wenn sie so aktiv wie möglich an der Informationsvermittlung teilnehmen, die Informationen so individuell wie möglich auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind und die Kommunikation so direkt wie möglich erfolgt. Wir wollen die technischen Voraussetzungen schaffen, damit Besucher offene Fragen an den Chatbot stellen können, und interaktive Elemente wie Meinungsumfragen und Abstimmungen einbinden.

Thema “direkte” Kommunikation und “Smombies”: Wie wirkt sich eurer Meinung nach der ständige Blick auf das Smartphone auf den Museumsbesuch aus?
Uns geht es nicht darum, die Nutzung von Smartphones in Museen zu fördern oder die Besucher aus dem realen Museumserlebnis abzuziehen. Wir wollen die Besucher vielmehr da abholen, wo viele von uns realistisch betrachtet ohnehin den ganzen Tag zu finden sind, nämlich am Handy. Sie sollen sich so gerade für den Museumsbesuch öffnen, nicht etwa verschließen. Das kann man durch die konkrete Ausgestaltung des Guides beeinflussen, beispielsweise durch die erwähnten interaktiven Elemente. Wir wollen andere Vermittlungsmedien auch nicht verdrängen, sondern eine attraktive Option für Nutzer schaffen, die sich von dieser Form des Informationszugangs angesprochen fühlen. Da der Chat-Guide auch gut in die Social Media-Aktivitäten des Museums eingebunden werden kann, zum Beispiel als Ankündigungspost vor dem Ausstellungsbesuch oder auch,  um auf zukünftige Veranstaltung per Push-Nachricht hinzuweisen, können ganz neue Zielgruppen ins Museum gelockt werden.

Informationen direkt auf's Smartphone: Die Idee von "helloguide"

Informationen direkt auf’s Smartphone: Die Idee von “helloguide”

Wie ist bislang das Feedback der Museen?
Nicht alle Museen stehen digitalen Vermittlungsformen gleich aufgeschlossen gegenüber, so dass wir immer wieder mal einen langen Atem brauchen. Das gehört für uns aber dazu und wir bekommen immer mehr positives Feedback von Kulturinstitutionen, die für sich erkannt haben, dass sie Angebote wie den Chatbot nutzen können, um ihr Publikum zu erreichen. Dabei führen wir viele Pilotprojekte durch, um ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen.

Und wie gut wird der Chatbot von den Besuchern angenommen?
Ob die Besucher unser System in Anspruch nehmen, hängt natürlich sehr davon ab, wie der Chatbot im Museum präsentiert wird, das heißt zum Beispiel ob der Flyer mit der Kontaktnummer zuverlässig an der Kasse ausgehändigt und der Chatbot eventuell auch beworben wird. Wir erreichen aber in der Regel eine zweistellige Prozentzahl an Besuchern. Besonders gut kommen bei den Benutzern interaktive Elemente an, wie zum Beispiel Meinungsumfragen zu Themen der jeweiligen Ausstellung. Das haben wir im Museum der Arbeit gelernt, als wir im Frühjahr in der Ausstellung “Das Kapital” danach gefragt haben, ob Karl Marx und seine Ansichten heute noch für relevant gehalten werden. Information ist schon gut, aber Partizipation finden wir noch besser.

Wo kann man den Chatbot aktuell ausprobieren und was sind eure Pläne oder Wunschkooperationen?
In Hamburg kann man den Chatbot gerade als “Hammabot” ausprobieren. Wir haben ihn zusammen mit dem Archäologischen Museum entwickelt. Auf unterhaltsame Weise informiert er über die Entstehung unserer Stadt am Domplatz. Mit vielen weiteren Museen geht es dann im Herbst weiter, wenn die neue Ausstellungssaison beginnt. Welche dies sind, können wir leider momentan noch nicht verraten. Ansonsten arbeiten wir mittlerweile auch für Medienhäuser und Unternehmen, die Chatbots für innovative Kundenkommunikation und als Edutainment-Tool nutzen. Auch das macht Spaß!

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