Berliner Kunstgriff
23.08. – 30.08.16

23. August 2016 • Text von

Am Anfang jedes Sommers schreibt der vom Nichtstun bedrohte Großstadtbürger eine Liste mit schönen Dingen, die er in seiner freien Zeit unternehmen will. Einen Augenblick später nähert der August sich dem Ende und nur die Hälfte davon ist in die Tat umgesetzt worden. Dieser Kunstgriff präsentiert drei Gelegenheiten doch noch den gewohnten Trott zu verlassen.

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Eva Vuillemin: Gegen den Strich (Videostill), 2013, HD Video, 10:45 min. Courtsey of the artist.

Punkt eins der Liste: ins Freiluftkino gehen. In den vergangenen zwei Monaten zeigte das Freiluftkino Weißensee im Rahmen der Programmreihe „Davor“ je einen von neun verschiedenen künstlerischen Kurzfilmen vor dem regulären Spielfilm. Abstrakte, selten narrative und meist äußerst bildstarke Kunstwerke wurden so dem breiten Publikum zugänglich gemacht, welches sich in Museen oder Galerien nur vereinzelt auf dieses künstlerisches Format einlässt. Am kommenden Freitag, den 26. August, gibt es schließlich den großen „Davor-Filmabend“, an dem die teilnehmenden Filme von Silva Agostini, Konrad Mühe, Pilvi Takala, Eva Vuillemin und Anna Witt nicht mehr nur die Nebenrolle spielen, sondern für sich stehen. Im Anschluss wird darüber aufgeklärt, was sich hinter dem Begriff einer Live-Cinema-Performance verbirgt. So wird die audiovisuelle Zeitreise „Interludes“ beschrieben, die als Collage aus Amateur- und Familienaufnahmen von 1920 bis heute einen gleichzeitig persönlichen und anonymen Film darstellt.

WANN: Los geht es am Freitag, den 26. August, um 20:30 Uhr.
WO: Freiluftkino Weißensee, Große Seestraße 8-10, 13086 Berlin. Infos zur Anreise und allem anderen hier.

Burkhardt

Linde Burkhardt: Pinakothek Gaeta Odysseus erwacht. Teilansicht der Installation 2013. Fotocredit: Davide Ambroggio, Bologna.

Zweiter Punkt: einen neuen Teil der Stadt kennenlernen. Wer das ganze Jahr die Rushhour in der U-Bahn erträgt, bleibt, wenn er frei hat, in seinem Kiez. Eine gute Gelegenheit den Freitagabend mal nicht in der Stammkneipe um die Ecke zu verbringen, bietet die Eröffnung einer Einzelausstellung von Linde Burkhardt kommende Woche. Fernab vom Zentrum der globalisierten Partyhauptstadt Berlin präsentiert die Kienzle Art Foundation am Westberliner Sayignyplatz drei Installationen der Künstlerin. Dort, wo die Bürgersteige so breit sind wie manche Gassen in Südeuropa und wo schon vor dreißig Jahren Absinth bis in die späte Nacht ausgeschenkt wurde, lädt uns Burckhardt zu einer figurativen Reise in die griechische Mythologie ein. Eine Gruppe junger Mädchen verlässt ihre angestammte Abbildung auf einer antiken Vase, um dann als Aluminiumgüsse durch die Ausstellung zu wandern. In drei thematisch verbundenen Installationen erkunden die filigranen Figuren den realen Raum und erwachen letztlich wie einst Odysseus in der griechischen Stadt Kertyra. Heute heißt diese Korfu und wird hauptsächlich mit Abschlussfahrten und Alkoholexzessen von Jugendlichen in Verbindung gebracht. Wie gesagt – Horizonterweiterung statt Feierabendbier.

WANN: Die Vernissage findet am Freitag, den 26. August, zwischen 19 und 21 Uhr statt.
WO: Kienzle Art Foundation, Bleibtreustraße 54, 10623 Berlin. Details hier.

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Courtesy of CONGLOMERATE. Photo: Trevor Good.

Punkt Nummer drei: eine gute neue Serie für verregnete Tage finden – am Besten independent und mit hohem intellektuellen Anspruch. Im Mai diesen Jahres wurde der erste „Block“ des von Künstlern betriebenen TV-Senders „CONGLOMERATE“ der Öffentlichkeit präsentiert und ist seitdem online verfügbar. Headquater ist der Projektraum Kinderhook und Caracas, dessen Betreiber Sol Calero und Christopher Kline gemeinsam mit den Künstlern Ethan Hayes-Chute, Dafna Maimon und Derek Howard das Kernteam des Projektes bilden. Auf der Suche nach einem künstlerischen Format, welches über die Einmaligkeit einer Vernissage und der anschließenden Dokumentation der Ausstellung hinausgeht, und als Gegenentwurf zu den Hierarchien und der Widersprüchlichkeit von Fernsehen in derselben Struktur bildet CONGLOMERATE ein Gesamtkunstwerk, welches nicht nur das bewegte Bild als Endprodukt umfasst, sondern auch die digitale Verfügbarkeit und das analoge Set. Das Programm des Senders umfasst eine von lateinamerikanischen Telenovelas inspirierte Serie, sinnlose Werbeanzeigen, eine Reihe von Sendungen, deren Schwerpunkte mit der künstlerischen Praxis oder Biografie von einzelnen Beteiligten korrelieren. Im Rahmen des Project Space Festivals wird nächsten Dienstag der zweite Block im Moviemento Kino am Kottbusser Damm vorgestellt.

WANN: Die Premiere findet  in einer Woche am Dienstag, den 30. August, zwischen 20 und 21 Uhr statt.
WO: Moviemento Kino, Kottbusser Damm 22, 10967 Berlin. Online findet ihr die Veranstaltung hier.

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