Berliner Kunstgriff 17.11. - 23.11.2015
17. November 2015 • Text von Gast
Wer denkt, dass in diesem seltsamen Übergangsmonat November kunstmäßig Flaute herrscht, täuscht sich mächtig. Es ist höchste Zeit, mal die Galerien abseits der breiten Pfade zu beschreiten oder ins Museum zu gehen – Angebote gibt’s genug! Ein vages Schlagwort wird der Vielfalt nicht gerecht, deshalb lest hier…Text: Eva Beck.
Klangfreunde aufgepasst! Am Donnerstag, den 19. November, zieht uns um 19 Uhr die Einzelausstellung des norwegischen Künstlers Jan Christensen in die Galerie Gerhardsen Gerner. Gezeigt werden dort neue Arbeiten des multimedial arbeitenden Künstlers, in denen er sich auf seine älteren Werke rückbesinnt, die aus Klangexperimenten und audiovisuellen Medien bestehen. Musikreferenzen finden sich auch in seinen neuen zweidimensionalen Arbeiten: sehr persönliche, chaotische Poster und Kollagen aus Bruchstücken von Schallplattenhüllen in grafischer Ästhetik. Die ausgewählten, fragmentarisch angeordneten Musiktitel und Bandnamen werden so manch einen Musikgeschmack erfreuen, erschaudern, oder gar inspirieren. Für jene, die im Anschluss der Ausstellung tatsächlich Musik auf die Ohren bekommen wollen, ist die Lage der Galerie in der Holzmarktstraße von schlagendem Vorteil. Mehr Infos zur Ausstellung hier.
Freitagabend, Feierabend – nichts wie raus aus dem Büro und ab nach Hause. Aber vielleicht doch nicht gleich in die eigenen vier Wände, denn das wäre ja langweilig. Wie wär’s mal mit der Wohnung eines völlig Fremden? Oder gar einer Person, die gar nicht existiert, sondern nur in der Fantasie von Lucy McKenzie? Die schottische Künstlerin hat die Räumlichkeiten der Galerie Buchholz in Charlottenburg in ein einzigartiges Studioapartment uminstalliert. Ein solches Apartment, wie es gerne von in Berlin so häufig anzutreffenden Startup Yuppies bewohnt wird, bei denen Arbeit und Freizeit, Professionalität und Intimität gerne mal in einander übergehen. Statt der „Keep Calm“-Poster und Vitra Stühle gehört allerdings patrizisches Marmor zum Dekor. In diesem alten Sinnbild für Macht und Autorität steckt eine subversive Kritik von Seiten der Künstlerin an unserer heutigen Lebensform. Warum die Ausstellung „Inspired by an Atlas of Leprosy“ heißt, bleibt offen. Vielleicht findet es ja heraus, wer sich am Freitag, den 20. November, ab 19 Uhr in die Galerie begibt. Weitere Infos gibt es hier.
Auch jene unter euch, denen die zeitgenössische Kunst mit ihren wundervollen Spinnereien auf den Keks geht und die lieber mal wieder in die Kunstgeschichte eintauchen möchten, werden diese Woche bedient. Ab Freitag, den 20. November, beleuchtet die Berlinische Galerie in ihrer neuen Ausstellung “Max Beckmann und Berlin“ das Verhältnis zwischen dem “großen Maler der Moderne” und unseren schönen Hauptstadt. In Berlin fand Beckmann gleich zweimal “wildes grausames prachtvolles Leben“ bis er 1937 das Land als „entarteter Künstler“ verlassen musste. Aufgezeigt wird eine bunte und lebendige Kunstszene im Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die uns diese Stadt nur noch mehr lieben lässt. Der Startschuss für die Eröffnung fällt um 19 Uhr, wer weitere Infos möchte, klickt hier.
Auch die Neue Nationalgalerie als „Neue Galerie“ im Hamburger Bahnhof blickt zurück in die Vergangenheit, jedoch in eine Düstere. „Die schwarzen Jahre. Geschichten einer Sammlung. 19331945“ eröffnet Samstag, den 21. November mit Hochkarätern wie Pablo Picasso, Lyonel Feininger oder Ernst Ludwig Kirchner, und liefert einen umfangreichen Überblick über die nationalsozialistischen Machenschaften in Kunst, – und Kulturgeschichte, die über die Etikettierung von „national“ und „entartet“ hinausgehen. Los geht’s um 19 Uhr, hier die nötigen Infos.
Für ihre Ausstellung in der Cell63 artplatform in Neukölln hat die eigenwillige Fotokünstlerin Laura Gianetti ein ganz spezielles Thema gewählt: den Birkenspanner. Jetzt nur nicht wegklicken, denn es wird noch spannend. Dieser Nachtfalter hat nämlich im Laufe der industriellen Revolution eine sagenhafte Entwicklung bestritten. Die damals unvorstellbar hohe Luftverschmutzung in Industriegebieten hat umstehende Birken als natürlichen Lebensraum der geflügelten Spezie völlig verrußt und eingeschwärzt. Die klugen Tierchen aber, ursprünglich hell gefärbt, wussten sich zu helfen und sicherten ihre Camoufalge kurzerhand, indem sie selbst schwarz wurden. Industriemelanismus nennt sich dieses Phänomen. Ein kleiner Schritt für die Natur, eine große Schande für die Menschheit. Ganze 126 Fotografien und ein Video führen uns einerseits dieses Wunder der Natur vor Augen, gleichzeitig verurteilen sie die Gier und Rücksichtslosigkeit der menschlichen Rasse und knüpfen somit an die aktuelle Debatte zum umweltfreundlichen Leben an. „Everything makes sense in the reverse“ ist der treffende Titel der Ausstellung, die am Samstag, den 21. November, um 19 Uhr eröffnet. Nachgelesen werden kann hier.