Berliner Kunstgriff
05.12. - 11.12.17

4. Dezember 2017 • Text von

Von Mexiko lernen: Hier wurde der Zustand von generellem Unmut über politische und soziale Umstände in den Siebziger Jahren um einiges stilvoller zum Ausdruck gebracht, als es heute in Form von 280 Zeichen bei Twitter praktiziert wird – durch Comicheftchen mit dramatischem, stets subversiv arbeitendem Storytelling. 

Francisco Ayala, Entre el amor y la locura (Between Love and Madness), 1973, Ink and gouache on paper, Courtesy of SomoS Art House.

Schon mal was von Micro-Cuentos gehört? Ähnlich wie Goyas Caprichos im 18. Jahrhundert dienten die mexikanischen Äquivalente in den 1970er Jahren in Form von gezeichneten Comics als politik- und gesellschaftskritische Kommentare für die breite Bevölkerung. Laut einer Schätzung lasen ca. 90 Prozent der Mexikaner dieser dramaturgisch überspitzten „Mini-Geschichten“, bevor sie in den Achtzigern vom amerikanischen Batman und Gefolge verdrängt wurden. Heute, mit dem Einzug der globalen Massenmedien, die sich einer einzigen globalen Sprachformel bedienen, ist dieser Ausdruck popkultureller Vielfalt in Vergessenheit geraten. Das will Comic-Kenner und Kurator Christopher Sperandio ändern und bringt 30 Tusche-Originalzeichnungen zum Anlass einer Ausstellung zusammen, die ab Donnerstag, den 7. Dezember, in dem Projektraum SomoS Art House zu sehen ist.

WANN: „Between Love & Madness – The Art oft he Mexican Micro Comic“ eröffnet am Donnerstag, den 7. Dezember, zwischen 18 und 21 Uhr.
WO: SomoS Art House, Kottbusser Damm 95, 10967 Berlin.

Rosemarie Trockel, Made in Western Germany (large), 1990, Edition of 15, Courtesy and copyright of the images: Klosterfelde Edition and Rosemarie Trockel.

Rosemarie Trockel ist international dafür bekannt und geschätzt, in ironischer Manie weibliche Klischees in die Luft zu sprengen. Manchmal sogar wortwörtlich. Ihr Schaffen sind unberechenbar, es gibt immer einen Twist und eine dritte Ebene, die sich über die Beschränkungen einer „feministischen Kunst“ hinwegsetzt. Die Künstlerin scheint sich dieser selbst nicht ernsthaft zu verschreiben, wo sie den Feminismus in seiner heutigen Form immer wieder mit derartiger Leichtigkeit unterläuft. So auch in ihrer Teppichserie, die Ende der Achtziger Jahre entstanden ist und ab Donnerstag, den 7. Dezember, in der Galerie Helga Maria Klosterfelde Edition gezeigt wird. Hier spielt sie zum einen auf die weiblich konnotierte Praxis des Webens an, lässt diese Werke aber von tibetischen Kunsthandwerkern fertigen, anstatt „selbst Hand anzulegen“. Andererseits belässt sie es nicht nur dabei, sondern geht im gleichen Zuge mit ihrer Gestaltung durch Logos wie „Made in Germany“ oder „Woolmark“ auch noch gegen westliche Ausbeutungsindustrien vor. In der Ausstellung in Berlin werden zehn Exemplare dieser Werkreihe gezeigt.

WANN: Vernissage ist am Donnerstag, den 7. Dezember, zwischen 18 und 21 Uhr.
WO: Helga Maria Klosterfelde Edition, Postdamer Straße 97, 10785 Berlin.

Gwenn Thomas: Moments of Place III, 2014. C-type print in custom frame, 45 x 70 x 3 cm. Courtesy EXILE and Gwenn Thomas.

Gwenn Thomas’ erste Einzelausstellung in der Exile Gallery besteht aus zwei Werkreihen, die visuell miteinander verbunden werden, doch zwei unterschiedlichen Geisteszuständen entspringen. Ihre skulptural anmutenden Fotografien der Serie „Moments of Place“ zeigen das immer gleiche Fenster zu verschiedenen Tageszeiten und Wetterverhältnissen und zitieren in ihrer Aufmachung Marcel Duchamps „Fresh Window“ aus dem Jahr 1920. Die Werke fordern das räumliche und zeitliche Verständnis des Betrachters heraus. Auch die Reihe „Standard Candles“, nach der die Ausstellung benannt ist, operiert auf räumlicher Ebene: Wie auch in der Astronomie ist die Wahrnehmung aller anderen Werke im Raum durch ihre Entfernung zur „Standardkerze“ bedingt. In der strahlenden Leuchtkraft dieses Werkes werden in Anlehnung an Henri Lefebvre die räumlichen Dimensionen und der emotionale Charakter unserer Umwelt erforscht.

WANN: Die Ausstellung „Standard Candles“ läuft von Freitag, den 8. Dezember, bis Ende Januar.
WO: Exile Gallery, Kurfürstenstraße 19, 10785 Berlin.

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