Aus der comfort zone
Der Komfort-Kuppel-Komplex in der Lothringer 13

19. Januar 2018 • Text von

Mit „Der Komfort-Kuppel-Komplex“ präsentiert die Lothringer 13 Halle eine ambitionierte Ausstellung, die sich mit historischen Artefakten und Exponaten aus Kunst, Film und Design einem äußerst aktuellen Themenkomplex widmet.

Wiener Porzellanmanufaktur Augarten: Kaisersemmel historisch,(nach Entwurf von 1864), 2016.

Manchmal, meistens kurz, dafür aber eindringlich, wird einem die Schizophrenie der globalisierten Welt ganz klar. Wenn man eine Dokumentation über die Textilproduktion in Indien sieht. Und an seinen Kleiderschrank denken muss. Im exotischen Urlaub, auf dem Weg vom Flughafen ins Strandhotel. Durch die Slums. Oder wenn man von 71 in einem LKW erstickten Flüchtlingen liest. Sie starben auf einem Autobahnparkplatz. In der Nähe von Wien. Plötzlich wird einem sehr bewusst, dass wir nicht nur digital in unseren eigenen Echokammern leben, unsere westliche Gesellschaft gleicht einem exklusiven Konstrukt, das den Rest der Welt ausschließen will, aber gleichzeitig von der Globalisierung gewinnen will.

Erik van der Weijde: Der Baum (Location: Ganghofersiedlung (former Siedlung Göringheim), Regensburg), 2010, Courtesy the artist and ChertLüdde, Berlin.

Wo ein „Drinnen“ existiert gibt es auch immer ein „Draußen“. Slavoj Žižek entwarf für Überlegungen solcher Art das Bild einer „Kuppel“, in deren Inneren die Gewinner der Globalisierung leben und agieren. Peter Sloterdijk wiederum entwickelte die Idee vom „Weltinnenraum des Kapitals“ in dem es „Kristallpaläste“ gebe und ein „Geflecht aus Korridoren des Komforts“. Für das kuratorische Konzept der Ausstellung „Der Komfort-Kuppel-Komplex“ in der Lothringer 13 Halle beziehen sich Swantje Grundler und Thomas Mayfried auf die beiden Philosophen und deren Überlegungen zu einem exklusiven, ausschließenden Gesellschaftskonstrukt.

Shannon Bool: Position #4, 2016, Courtesy Kadel Willborn, Düsseldorf.

Die gezeigten Exponate aus Kunst, Film und Design ergänzen einander und bilden einen Rahmen für Diskurse unterschiedlicher Art. Postkoloniae Ansätze fordern kulturelle Hegemonien und Deutungshoheiten heraus. Andere spielen mit utopischen Visionen für unser Leben und unsere Gesellschaft. Die Ausstellung „Der Komfort-Kuppel-Komplex“ vereint Arbeiten mit unterschiedlichen Ansätzen unter einem Dach. Gemein ist ihnen ein offener und diskursiver Umgang mit Diskrepanzen und Doppeldeutigkeiten. So ist eine unter einer Glasglocke drapierte goldbraune Kaisersemmel erst auf den zweiten Blick als Porzellan-Döschen zu erkennen. Die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten brachte sie im 19. Jahrhundert auf den Markt. Die Produkte von Augarten sind das teuerste österreichische Porzellan, vergleichbar mit anderen Manufakturen, mit denen sich Länder und Monarchien einst schmückten. Erfunden wurde die Kulturtechnik Porzellan jedoch nicht im 18. Jahrhundert in Meißen oder Nymphenburg, sondern fast 1000 Jahre früher in China. Händler brachten die edle Keramik nach Europa. Auch damals hatten Glocken schon Risse.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis 17. März.
WO: Lothringer13 Halle, Lothringer Str. 13, 81667 München.

Weitere Artikel aus München