Atmendes Museum
Abbas Akhavan in der Villa Stuck

11. August 2017 • Text von

Installative Eingriffe zwischen Disruption und Bewahrung, Ausgrenzung und Offenheit. Der 1977 in Teheran geborene Abbas Akhavan zählt zu einer neuen Generation von Künstlern in Kanada. In der Villa Stuck zeigt Akhavan seine erste institutionelle Einzelausstellung mit älteren Arbeiten und speziell für die Show entstandenen Werken.

Abbas Akhavan: Study for a Blue Shield, 2011/2017, Museum Villa Stuck, Photo: Jann Averwerser

In Museen und Galerien für zeitgenössische Kunst ist ein Modus der Präsentation dominant: Die Arbeiten werden in Räumen präsentiert, die in farbneutralem Weiß gestaltet sind, die Ausstellungsarchitektur soll deutlich hinter das Kunstwerk gestellt werden, eine Interaktion zwischen Architektur und Kunstwerk soll vermieden werden. Doch spätestens seitdem der Künstler und Kritiker Brian O’Doherty 1976 seine Aufsatzreihe “Inside the White Cube” veröffentlichte, steht dieses Konzept des “Weissen Würfels” zur Disposition. Dass der genius loci und die Architektur eines Ausstellungshauses mit den gezeigten Arbeiten einen fruchtbaren Dialog eingehen können, beweist Abbas Akhavan in seiner aktuellen Ausstellung in der Villa Stuck eindrucksvoll.

Abbas Akhavan: Untitled Garden, 2008/12, Courtesy of the artist, Photo: Jann Averwerser.

Fast wie Einschusslöcher wirken die Perforationen an den Wänden der Villa Stuck, brutal und scheinbar rhythmisch positioniert. Doch diese Eingriffe in den Ausstellungsraum sind nicht aktiv vom Künstler gesetzt, es sind Spuren der vorherigen Ausstellung, Überbleibsel von Ausstellungsarchitektur die Abbas Akhavan nicht beseitigen ließ und in seine Ausstellung integriert. Dieser Umgang mit der Vergangenheit, die Inklusion bestehender Elemente illustriert den Umgang des Künstlers mit dem Raum, der durchaus instinktiv und intuitiv ist. In oft ortsspezifischen und vergänglichen Arbeiten reflektiert er mit poetischen und zarten Gesten gesellschaftliche Themen und untersucht das Museum als Ort einer spezifischen Funktionsweise. Die gezeigten Arbeiten interagieren und kommunizieren miteinander und im Zusammenhang mit der Architektur.

Abbas Akhavan: Fatigues, 2014, Präpariertes Tier, Installationsansicht Montréal Biennale 2015, Courtesy of the artist, Foto: Paul Litherland, (Das ausgestellte Tier hat durch einen Unfall Schaden genommen, es hat nicht für den Zweck der Ausstellung gelitten.).

Abbas Akhavan spielt mit den Räumen, öffnet und verengt sie. Betritt man den Ausstellungsraum, ist der Besucher direkt mit einer Barriere konfrontiert. Die Arbeit “Untitled Garden (2012/2017)”, eine Hecke aus Thuja occidentalis brabant, versperrt zunächst den Weg und zwingt den Besucher, um sie herum zu schreiten. Doch ist man im Ausstellungsraum angekommen weitet sich der Blick. Abbas Akhavan hat Fenster freilegen lassen, die nun offen stehen, frische Luft zirkuliert. Eine Tür zu einem Balkon steht offen, der Besucher kann in den Hof der Villa Stuck blicken. Akhavan hat die Klimaanlage, die normalerweise eine konstante Temperatur hält, abstellen lassen, das Museum selbst scheint nun zu atmen.

Abbas Akhavan: If the first metaphor was animal, 2017, Elastische Baumwollbandage, Gips, Fiberglas, Courtesy of the artist, Photo: Jann Averwerser.

Die in der Villa Stuck gezeigten Arbeiten fügen sich leicht in dieses geöffnete Museum ein und ergänzen einander. Skulpturen, Videos und Eingriffe in die Architektur schaffen ein Spannungsfeld, das zwischen Poesie und Aggression zu schweben scheint. Konnotationen von Gewalt und Gefahr werde gelöst und Vanitas-Motiven gegenübergestellt. Eines der Hauptwerke ist eine eigens für die Ausstellung konzipierte Skulptur: Lamassu ist der Name assyrischer Gottheiten, die an Eingängen von Tempeln aufgestellt wurden. Die Mischgestalt mit dem Körper eines Löwen, mit Adlerflügeln und menschlichem Kopf verkörpert Kraft und Intelligenz. Eine dieser Lamassu-Skulpturen stand im Mossul-Museum und wurde durch den sogenannten “Islamischen Staat” im Februar 2015 zerstört. Akhavan reproduziert nun das Fragment dieser Skulptur im Ausstellungsraum, verwendet aber nicht Stein oder Beton, sondern Erde. Ein Material, das gleichzeitig fragil und brüchig ist, aber auch das Potenzial für Leben und organisches Wachstum in sich trägt. Ein Material der Möglichkeiten.

WANN: Noch bis 1. Oktober.
WO: Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, 81675 München.

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