The Art of adding Value by Subtraction
FarbRaumKörper in der Sammlung Goetz

24. Juli 2017 • Text von

Wäre für die Ausstellung FarbRaumKörper in der Sammlung Goetz ein Soundtrack zusammengestellt worden, so käme hierfür nichts anderes als John Cages Hommage an die Stille 4’33’’ infrage. Denn minimalistischer als ein Musikstück, in dem vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden lang kein einziger Ton zu hören ist, kann es eigentlich nicht mehr werden.
Text: Julie Göllner

Exhibition View Sammlung Goetz, © Reiner Ruthenbeck, VG BILD-KUNST Bonn, 2017, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Thomas Dashuber, München.

Die Uraufführung von 4’33’’ im Jahre 1952 endete in einem Skandal, da den Besuchern der Maverick Concert Hall in Woodstock keineswegs bewusst war, dass dies ein Konzert ohne Musik werden würde. In puncto Minimalismus scheiden sich auch heute noch die Geister. Meine Hypothese ist, dass sich die Wirkung der minimalistischen Kunst oft erst im Zusammenspiel mit der Architektur entfaltet. Der futuristische Solitär, der die Sammlung Goetz über drei Ebenen beheimatet, wurde in den 90er Jahren von den Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre Meuron erbaut, deren Namen selbst den Kulturbanausen unter uns ein Begriff sein sollte. Als stiller Beobachter dieses minimalistischen Gipfeltreffens aus Kunst und Architektur erfreut sich der Ästhet einer puristisch Formensprachen und dynamischen Linienführung. Die klaren Farben geben dem Gesamtkunstwerk eine unerwartete Leichtigkeit, trotz Betonfundament. Die Hausherrin, Ingvild Goetz, ist eine der bekanntesten deutschen Kunstsammlerinnen, die stets unermüdlich an der Zusammenstellung ihrer Kollektion arbeitet. Von ihrem Ehemann wird sie liebevoll-neckisch das “Trüffelschwein” genannt, denn sie soll in Fragen der Kunst über Jahrzehnte einen untrüglichen Instinkt entwickelt haben.

Exhibition View Sammlung Goetz, © Imi Knoebel, VG BILD-KUNST Bonn, 2017, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Thomas Dashuber, München.

Die vier Künstler, deren Arbeiten gegenwärtig in der Oberföhringerstraße 103 zu Hause sind, heißen Gotthard Graubner, Imi Knoebel, Blinky Palermo und Reiner Ruthenbeck. Zur Primetime des Minimalismus, in den 60er Jahren, studierten sie unter Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kaderschmiede aus der unter anderem auch Sigmar Polke, Gerhard Richter und die ZERO-Avantgardisten hervorgegangen sind. Der deutsche Minimalismus konnte sich dabei weitestgehend unbeeinflusst von seinem amerikanischen Pendant entwickeln, der mit Galionsfiguren wie Dan Flavin, Donald Judd, Walter de Maria und Sol LeWitt New York zu seinem Zentrum machte.

Blinky Palermo: Flipper, 1970, Dipytchon, © Blinky Palermo, VG BILD-KUNST, Bonn 2017, Courtesy Sammlung Goetz, München.

Wilder als seine Bilder zunächst vermuten ließen, wird die Figur des Künstlers Blinky Palermo beschrieben, der bereits in jungen Jahren unter mysteriösen Umständen während eines Urlaubs auf den Malediven verstarb. Sein Kosename rührte von seiner Ähnlichkeit mit dem Mafioso und Box Promoter Frank “Blinky” Palermo, der wohl einen ähnlichen Kleidungsstil pflegte. Palermo und sein enger Freund Imi Knoebel fanden frühe Inspiration in den Werken Malevichs und seiner Theorie des Suprematismus. Erst durch die radikale Reduktion der Form schafft es der Künstler, so einer der Thesen, die Bestimmung seines Schaffens zu erforschen. Die Verwandtschaft zu Malevichs Arbeiten wird bei Imi Knoebel sogar fest im Titel verankert, Die russische Wand (1988) hängt im Untergeschoss des Hauses und bleibt der Farblosigkeit sowie der Formensprache ihres Idols treu.

Exhibition View Sammlung Goetz, © Gotthard Graubner, VG BILD-KUNST Bonn, 2017, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Thomas Dashuber, München.

FarbRaumKörper ist eigentlich der Titel einer Serie von mit Synthetikwatte unterfütterten Bildflächen, die Gotthard Graubner in den 60ern entwickelte. Sanft wölbt sich dieses kissenartige Objekt dem Betrachter entgegen. Der verstorbene Kunsthistoriker Max Imdahl bezeichnete diese atmosphärischen Arbeiten als “Empfindungs Räume”. Durch ihre Dreidimensionalität scheint die kissenartige Ebene die Luft förmlich einzuatmen. Das Phänomen der Serialität ist ein weiteres zentrales Element im Minimalismus, welches im Kontext dieser Ausstellung vor allem bei Ruthenbeck, Palermo und Graubner anzutreffen ist. Umberto Eco zufolge eignet sich die “Wiederholungskunst” vor allem dazu, die Kluft zwischen Hoch- und Populärkunst zu überbrücken. Während sich die Avantgarde stets um etwas Neues bemüht, bedient sich die Populärkultur eher der Iteration und Repetition formaler Aspekte, die zunächst neu erscheinen, jedoch ein wiederkehrendes narrativ bilden.

Exhibition View Sammlung Goetz, © Blinky Palermo, VG BILD-KUNST Bonn, 2017, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Thomas Dashuber, München.

Wenn die minimalistische Maxime tatsächlich lauten würde “The Art of adding Value by Subtraction” dann würde diese Rechnung im Falle der FarbRaumKörper Ausstellung in der Sammlung Goetz aufgehen. Aber der Minimalismus ist mehr als nur ein Kunst- und Architekturstil, es bezeichnet eine Denkart, die seit einigen Jahren eine Renaissance erfahren hat. In diesem Sinne fusionieren Kunst, Musik und Architektur nicht nur auf der formalen Ebene, sondern auch auf einer philosophischen. Wer sich also noch nicht in das minimalistische Frühwerk einer der weltweit wohl bekanntesten Architekten auf der Oberföhringer Straße gewagt hat, sollte dies zeitnah nachholen.

WANN: Zu sehen noch bis zum 14. Oktober 2017.
WO: Sammlung Goetz, Oberföhringer Str. 103, 81925 München.

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