Empowerment!
Ein Gespräch über den Berlin Art Prize

14. Mai 2018 • Text von

Noch bis zum 30. Mai können sich alle Berliner Künstler*innen für den Berlin Art Prize bewerben. Sophie Jung, eine der Gründerinnen des unabhängigen Kunstpreises, sprach mit uns über das anonyme Bewerbungsverfahren, die freie Szene Berlins und, wie man ein gutes Portfolio zusammenstellt.

Opening Berlin Art Prize 2014, Kühlhaus am Gleisdreieck.

gallerytalk.net: Dieses Jahr geht der Berlin Art Prize in die fünfte Runde. Welche Veränderungen sind seit der Gründung 2013 in der Stadt zu beobachten?
Sophie Jung: Die Geste des Berlin Art Prize ist noch wichtiger geworden. Ein unabhängiges Projekt in einer Stadt, in der kleine Initiativen durch Mieterhöhung, Wohnraummangel und Ausverkauf von Freiflächen immer mehr verdrängt werden, ist heute auch eine starke politische Geste. Denn es ist seltener geworden, dass öffentlich auf das weitere Bestehen – auf das fröhliche, gute Bestehen – der freien Szene hingewiesen wird.

Einerseits scheinen Community und Empowerment zentrale Motivationen für das Projekt zu sein, andererseits ist es immer noch ein Kunstpreis und somit eine Auszeichnung von einzelnen künstlerischen Positionen. Welcher Jury übertragt ihr diese verantwortungsvolle Aufgabe 2018?
Wie jedes Jahr versuchen wir eine möglichst heterogene Jury zusammenzustellen, die trotzdem als Gruppe zusammenarbeiten kann. Mit Michaela Melián, Lehrende und genreübergreifende Künstlerin, die sowohl mit Musik, als auch mit Installation arbeitet, und Johannes Paul Raether, der auch aus dem linken Aktivismus kommt, selbst performativ arbeitet und als Lehrender ebenfalls Erfahrung mit junger Kunst hat, haben wir zwei Kunstschaffende gewinnen können. Philip Ekardt wurde als Kritiker, Theoretiker und Schreibender eingeladen, dem wir vor allem einen präzisen Blick und eine genaue Beobachtungsgabe zutrauen. Övül Durmuşoğlu und Pauline Doutreluingne sind beide Kuratorinnen mit einer politischen, vielleicht queeren, Perspektive auf künstlerische Praxis und vor allem in der jüngeren Szene aktiv.

Award Ceremony Berlin Art Prize 2015, DISTRICT Berlin.

Im Gegensatz zu den ersten drei Ausgaben des Berlin Art Prize organisiert ihr nun Studio Visits, bei denen die Jury nicht nur die Werke im Original sieht, die sie vorher anhand der Portfolios für die Longlist ausgewählt hat, sondern auch die Künstler*in kennenlernt. Wieso habt ihr euch dafür entschieden den Auswahlprozess zu verändern?
Ursprünglich ist die Ausstellung des Berlin Art Prize aus der Idee heraus entstanden, die letzte Jurysitzung vor Originalen zu machen. Wenn man so viele Werke an einem Ort hat – warum sollte man sie dann nicht zeigen? So basierte die Ausstellung immer auf den Arbeiten, die aus den digitalen Portfolios ausgewählt wurden. Schließlich mussten wir jedoch feststellen, dass es für eine vierwöchige Ausstellung notwendig ist anhand der Originale eine Auswahl zu treffen. Studio Visits sind dabei für alle Beteiligten vorteilhaft: Künstler*innen haben die Möglichkeit ihre Werke zu präsentieren und, selbst wenn die Mehrheit der Jurymitglieder nicht überzeugt ist, gibt es immer wieder individuelle Sympathien und daraus resultierende Netzwerkeffekte. Die Vermittlung der Arbeit während der Studio Visits ist einfacher als allein über pdf-Portfolios. Alles in allem ist der Unterschied zwischen dem Betrachten von digital reproduzierten Arbeiten und den Originalen immens und deshalb muss ein Zwischenschritt gemacht werden.

Das Auswahlverfahren des Berlin Art Prize zeichnet sich dadurch aus, dass sich alle Berliner Künstler*innen unabhängig von Lebenslauf oder Resumé bewerben können und das gesamte Bewerbungsverfahren vollkommen anonym ist. Diese Anonymität wird durch die Studio Visits aufgehoben – widerspricht das dem Konzept?
Ja, durch die Studio Visits wird die Anonymität ab einem gewissen Punkt aufgehoben. Da die Jury davor circa 1.000 anonymisierte Bewerbungen gesehen hat, ihr Blick für die künstlerische Arbeit geschärft ist, während Namen, Hintergrund und Sympathien sekundär werden, fällt das Kennenlernen der Künstler*in in der Regel nicht stark ins Gewicht – vielleicht die größte Leistung des Open Calls und des anonymen Auswahlverfahrens. Während der Studio Visits ist die Jury vor allem daran interessiert, wie das Werk im Original aussieht.

Berlin Art Prize 2014, Kühlhaus am Gleisdreieck.

Nach vier Jahren Berlin Art Prize und hunderten, eher tausenden von Bewerbungen: Was findest du persönlich besonders wichtig in einem Portfolio?
Es ist wichtig klar zu wissen, was man als Künstler*in macht, und das entsprechend vermittelt. Entweder indem man seine Praxis selber beschreibt oder jemand anderen darüber schreiben lässt. Selbst wenn die eigene Arbeit sich nicht auf einen Hauptsatz reduzieren lässt, ist es wichtig Inhalte klar zu kommunizieren und durch konkrete Beschreibungen einen Zugang zu ermöglichen. Die Aufnahmen der Werke müssen nicht hochproduziert sein, manchmal verdeckt die Aufnahmetechnik von hervorragend produzierten Portfolios sogar den Blick auf das Werk. Viel wichtiger ist, den richtigen Bildausschnitt zu wählen und der Betrachter*in den richtigen Blick auf die Arbeit zu ermöglichen. Sich selbst fragen, was will ich sagen, und vielleicht jemand anderen das Portfolio am Ende durchlesen lassen, das würde ich jedem raten.

Während der vierwöchigen Ausstellungslaufzeit gibt es nicht nur Partys zu Eröffnung und Finissage, sondern auch ein umfangreiches Rahmenprogramm. Welche Bedeutung hat die diskursive oder partizipative Erweiterung für den Berlin Art Prize?
Zunächst haben sich aus der Ausstellung Formate ergeben, die ein zusätzliches Programm erforderten , sodass Performances, Film Screenings, Lesungen oder Diskussionen mit den beteiligten Künstler*innen im Rahmen der Ausstellung stattfanden und sich schließlich zu einem Programm zusammenfügten. Dabei ging es auch beispielsweise um Produktionsmöglichkeiten in Berlin oder Portfolio Workshops – nicht als Selbsthilfeangebote, sondern als Geste des Empowerments. Darauf wollen wir uns dieses Jahr noch mehr konzentrieren. In der Öffentlichkeit ist der Berlin Art Prize hauptsächlich als eine Gruppenausstellung von Künstler*innen sichtbar, die vielleicht sonst nicht auf diese Weise vorkommen. Während der Ausstellung haben wir jedoch einen Raum, den wir auch für diskursive Formate nutzen wollen, die sonst in der Struktur eines Kunstpreises nicht möglich sind, denn im Ende ist es immer noch eine Auszeichnung mit Nominierten, Gewinner*innen und einer Trophäe.

WANN: Die Bewerbung für den Berlin Art Prize ist noch bis zum 30. Mai möglich. Die Ausstellung wird vom 31. August bis 28. September 2018 stattfinden.
WO: Der Berlin Art Prize findet dieses Jahr in den Räumen von The Shelf, Prinzenstraße 34, 10969 Berlin. Informationen zu dem Projekt und dem Bewerbungsverfahren findet ihr hier.

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